Bei Religionsfragen entscheiden die Eltern, nicht die Pflegefamilie

Das neunjährige Kind lebt seit der Geburt in einer Pflegefamilie. Dem Jugendamt des örtlichen Landkreises wurde damals die sorgerechtliche Verantwortung übertragen, nachdem die Kindesmutter dazu nicht in der Lage war. Nicht umfasst vom Sorgerecht für das Jugendamt war die Frage der religiösen Erziehung des Kindes.

In der Pflegefamilie wurde das Kind, das zurzeit die dritte Klasse einer Grundschule besucht, auf der Grundlage christlicher Werte erzogen und römisch-katholisch getauft. In der Pflegefamilie wird der Glaube aktiv gelebt, die eigenen Kinder der Pflegeeltern wurden christlich erzogen. Im Mai 2016 sollte das Pflegekind nach den Vorstellungen der Pflegeeltern die Erstkommunion empfangen.

Hiergegen hat sich die Kindesmutter, eine Marokkanerin muslimischen Glaubens, gewehrt und argumentiert, sie habe immer darauf Wert gelegt, dass auch nach der Inobhutnahme des Kindes durch die Pflegefamilie das Kind nach muslimischem Glauben erzogen werden solle.

Nachdem das Familiengericht in der ersten Instanz noch argumentiert hat, es diene dem Wohle des Kindes, wenn es weiterhin nach christlichen Werten erzogen werde, so war das Oberlandesgericht (OLG) Hamm in einer aktuellen Entscheidung vom 29. März 2016 (Aktenzeichen 2 UF 223/15) der Auffassung, dass der leiblichen Mutter als Inhaberin des religiösen Erziehungsrechts die Entscheidung obliege, nach welchen Grundsätzen das eigene Kind erzogen werde.

Es sei daher nicht von Bedeutung, so das OLG, ob die Erziehung des neunjährigen Kindes im römisch-katholischen Glauben dem Wohle des Kindes entspreche. Denn die marokkanische Mutter hat das Bestimmungsrecht bis zum endgültigen Entzug der elterlichen Sorge zu Religionsfragen unzweifelhaft ausgeübt. Sie war somit rechtlich in der Lage, als Ausfluss ihrer elterlichen Restsorge die Religionszugehörigkeit des Kindes zu bestimmen. Das Jugendamt und damit die Pflegeeltern sind an die Bestimmung der Religionszugehörigkeit durch die Kindesmutter gebunden.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Verbleib des Kindes bei einer Pflegefamilie die leiblichen Eltern nicht rechtlos stellt, sondern vielmehr im Einzelfall geschaut werden muss, in welchen sorgerechtlichen Fragen noch Entscheidungskompetenz besteht.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle aus der Oldenburger Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Alexanderstraße 111, Tel. 0441/96 94 81 40 oder gralle@fachanwaelte-ol.de.  Weitere Infos unter www.fachanwaelte-ol.de.

Papa betreut das Kind und zahlt auch Unterhalt

Solange die Kinder wirtschaftlich nicht auf eigenen Füßen stehen können, sind Vater und Mutter unterhaltsverpflichtet. Wenn sich die Eltern getrennt haben, gilt der Grundsatz, dass ein Elternteil die Kinder betreut, der andere Elternteil Kindesunterhalt zahlt.

Von dieser Grundannahme gibt es dann eine Ausnahme, wenn ein Elternteil deutlich mehr verdient als der andere Elternteil. Aktuelles Beispiel dazu: es geht um Unterhalt für zwei minderjährige Söhne, die Kindesmutter ist angestellte Rechtsanwältin und erzielt ein vom Gericht berücksichtigtes Nettoeinkommen in Höhe von rund 2200 Euro. Der Kindesvater ist Arzt in der Schweiz. Bei ihm leben die beiden minderjährigen Kinder. Der Vater erzielte ein Nettoeinkommen in Höhe von über 160.000 Schweizer Franken. Dies sind umgerechnet rund 135.000 Euro, monatlich daher ca. 11.400 Euro.

Da die Lebenshaltungskosten in der Schweiz deutlich höher sind als in Deutschland hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden in einer aktuellen Entscheidung vom 4. Dezember 2015 (Zeichen 20 UF 875/15) entschieden: da das Preisniveau für Verbrauchsgüter und Dienstleistungen in der Schweiz um rund ein Drittel höher als in Deutschland liege, sei das Nettoeinkommen entsprechend um ein Drittel zu kürzen. Es verbleibe dann ein vergleichbarer Betrag in Höhe von gut 7500 Euro.

Das Einkommen des Vaters liegt daher um mehr als das dreifache über dem der Kindesmutter, so das es angemessen ist, dass der Vater neben der Betreuung der beiden Söhne diesen auch Unterhalt zahlt. Die Kindesmutter muss sich also weder um die Betreuung ihrer Kinder kümmern noch muss sie Unterhalt zahlt. Der Vater trägt die Doppelbelastung. Angesichts der wirtschaftlichen Überlegenheit des Vaters sei dies jedoch angemessen, so das OLG.

Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle – Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Alexanderstraße 111, Oldenburg. Tel. 0441/96 94 81 40 oder gralle@fachanwaelte-ol.de. Weitere Infos: www.fachanwaelte-ol.de

Verdienstunterschied spielt große Rolle