Neue Beziehung – nach einem Jahr kein Ehegattenunterhalt mehr
Grundsätzlich schuldet der wirtschaftlich stärkere Ehepartner dem finanziell schwächeren Unterhalt. Dies gilt sowohl während der Ehe als auch für die Zeit nach der Scheidung. Hat ein Ehepartner während der Zeit der Trennung oder nach der Scheidung eine enge Beziehung zu einem neuen Lebensgefährten, so können Unterhaltsverpflichtungen ausscheiden, die Gerichte sprechen von einer sogenannten Verwirkung des Unterhalts.
Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat in einer aktuellen Entscheidung vom 16. November 2016 (Aktenzeichen 4 UF 78/16) beschlossen, dass bereits nach einem Jahr eine Verwirkung vorliegen kann.
Die unterhaltsberechtigte Ehefrau war im vorliegenden Fall im Frühjahr 2013 erstmals bei ihrem damaligen Bekannten zu Besuch und hat mit dem Sohn dort Ostern gefeiert, anschließend fuhr das Paar zu einem Kurzurlaub nach London. Bereits im Sommer 2013 unterstützte die Ehefrau ihren neuen Lebensgefährten mit einem Darlehen von mehreren 1000 Euro bei der Renovierung dessen Einfamilienhauses. Für den ehelichen Sohn wurde dort ein Zimmer eingerichtet. Der neue Lebensgefährte nahm auch an Gesprächen bei Mitarbeitern des Jugendamtes teil.
Diese Gesamtsituation lässt es nach Auffassung des OLG Oldenburg zu, die grundsätzlich anzunehmende Verwirkungsfrist von zumindest zwei Jahren deutlich zu verkürzen. Es sei eine verfestigte Lebensgemeinschaft anzunehmen, da nach außen deutlich geworden sei, dass sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte (hier die Ehefrau) einen neuen Partner nachhaltig zugewandt habe und sich damit endgültig aus der ehelichen Solidarität herausgelöst habe und zu erkennen gebe, dass er diese Solidarität nicht mehr benötige. Die neue Beziehung habe zumindest nach einem Jahr einen gewissen Grad der Verfestigung erreicht. Unterhaltsansprüche stehen der Ehefrau auch während der Trennungszeit und damit schon vor der Scheidung nicht mehr zu.
Das in der ersten Instanz zuständige Amtsgericht Cloppenburg hatte eine Verwirkung nach zwei Jahren und einem Monat Beziehung angenommen und damit zunächst den üblichen Verwirklichungszeitraum berücksichtigt.
Es gilt: eine Verwirkung nach einem Jahr ist weiterhin eine Ausnahmesituation und auch in Zukunft ist jeder Fall einzeln zu betrachten.
Autor des Beitrages: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle, Oldenburg