Beleidigende E-Mails gefährden gemeinsames Sorgerecht
Zahlreiche Kinder werden unehelich geboren. Die Beziehung der Kindeseltern scheitert, die Verantwortung für das Kind bleibt. Doch wer trägt die Verantwortung für Fragen der Erziehung, der Schule, der Gesundheit und des Lebensmittelpunktes? Das Gesetz sieht vor, dass die elterliche Sorge für das Kind zunächst allein der Mutter zu steht. Beim Familiengericht können beide Elternteile beantragen, die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam zu übertragen.
Grundsätzlich kommt das Familiengericht der beantragten gemeinsamen elterlichen Sorge nach, wenn nicht Kindeswohl-Gründe dagegen sprechen. In der Praxis heißt dies: die Kindesmutter muss deutlich machen, dass eine gemeinsame elterliche Sorge mit dem Vater für das Kind nicht vorteilhaft ist. Denn eine gemeinsame Sorge kommt in Betracht, wenn eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Kindeseltern, ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen besteht und sie jeweils eine Fähigkeit zum Konsens haben.
Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen 3 U F 139/15) die gemeinsame elterliche Sorge abgelehnt. Es ging dabei um einen zehnjährigen Sohn. Der Vater lebte im Ruhrgebiet, die Kindesmutter im Oldenburger Land. Zwischen beiden Haushalten bestand eine Fahrzeit von rund 2 Stunden.
Die Beziehung war von Kommunikationsschwierigkeiten geprägt. Die Eltern konnten persönlich Gespräche nicht mehr führen und stimmten Umgangstermine per E-Mail und SMS ab. Zentrale Fragen der Erziehung wie die Teilnahme Elternsprechtagen oder die Anmeldung zum Musikunterricht wurden unterschiedlich beantwortet. Der Kindesvater beleidigte den neuen Lebensgefährten der Mutter als „Bollerkopp“ sowie „undankbares Stück“. Gegenüber der Mutter erklärte der Vater: „Du bist ein dreckiges Stück Scheiße…“
Das Familiengericht in Hamm hat, nach Einholung eines Gutachtens, die gemeinsame elterliche Sorge abgelehnt. Beiden Elternteilen fehle die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Sie könnten nicht aufeinander zugehen. Die Entscheidung über die gemeinsame elterliche Sorge sei eine Prognoseentscheidung, aufgrund der Gesamtsituation sei jedoch davon auszugehen, dass gemeinsame Entscheidungen im Sinne des Kindes ausscheiden. Im Ergebnis verbleibt es bei der Alleinsorge der Kindesmutter.
Für die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge sollten beide Elternteile persönliche Anfeindungen vermeiden. Schwierigkeiten aus der nicht verarbeiteten Trennung sollten nicht indirekt auf dem „Rücken des Kindes“ ausgetragen werden. Gegebenenfalls, so auch das OLG Hamm, müssten beide Elternteile professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
Dass der Vater Umgangskontakte wahrnimmt, hat für die Frage der elterlichen Verantwortung keine Bedeutung.
Autor des Beitrages: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle-Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Oldenburg