Kann die Mutter über Urlaubsfahrten der Kinder allein entscheiden?

ANGELEGENHEITEN DES TÄGLICHEN LEBENS ERFORDERN NICHT IMMER EINIGKEIT

Leben Eltern getrennt, kann unterstellt werden, dass sie sich in Angelegenheiten des täglichen Lebens für die eigenen Kinder nicht immer verständigen und einigen können. Der Elternteil, bei dem sich das Kind gewöhnlich aufhält, ist verantwortlich für Angelegenheiten des täglichen Lebens, bei Fragen, die darüber hinausgehen, müssen beide Elternteile im Rahmen ihrer gemeinsamen Verantwortung entscheiden.

Was zählt zu Angelegenheiten des täglichen Lebens?

Dazu zählt zum Beispiel 

  • die Entscheidung über die Befugnis, das Kind von der Tagesstätte oder der Schule abzuholen
  • der Wechsel der Kindertagesstätte 
  • der Antrag auf Ausstellung einer Schülerjahreskarte für den ÖPNV –
  • Nachhilfeunterricht 
  • ärztliche Routineuntersuchungen und die Behandlung von Alltagskrankheiten 
  • der exakte Termin für die Taufe, über den sich die Eltern dem Grunde nach einig sind 

Dadurch, dass Angelegenheiten der tatsächlichen Betreuung in die Entscheidung des Elternteils gelegt werden, bei dem sich das Kind tatsächlich gerade aufhält, verhindert der Gesetzgeber ein Hineinregieren eines Elternteils in den Alltag des anderen. Wo das Kind den Tag verbringt, was es anzieht, wann es zu Bett geht, wann es zum Spielen geht, was es liest und sich im Fernsehen anschaut und was es isst oder trinkt, soll derjenige entscheiden können, der das Kind tatsächlich beaufsichtigt.

Auch für Urlaubsreisen entscheidet der Elternteil, bei dem sich das Kind aufhält. Gerichtlich geregelt wurde dies aktuell für Urlaubsreisen nach Thailand und Großbritannien. Keine Angelegenheiten des täglichen Lebens sind Reisen in Krisengebiete, insbesondere bei Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes.

Gemeinsame Entscheidungen beider Elternteile sind zum Beispiel erforderlich

  • Schulwahl und Kindergarten-Wahl
  • Änderung des Familiennamens
  • Erteilung des Vornamens
  • Taufe
  • Impfungen
  • Veröffentlichung von Fotos im Internet

Aktuell hat das Verwaltungsgericht Bremen, Aktenzeichen 1 V 2246/19, im November 2019 entschieden, dass die Entscheidung über die Teilnahme der 13-jährigen Tochter an einer Klassenfahrt in die Niederlande in Form eines Segeltörns, der nur wenige Tage dauern und von begleiteten Lehrkräften beaufsichtigt wird, der Alltagssorge zuzurechnen ist und in diesem Falle von der Kindesmutter, bei der die Tochter wohnt, ohne Zustimmung des Vaters entschieden werden kann. Ähnlich hatte bereits das Verwaltungsgericht Berlin entschieden, welches die Teilnahme einer 17-jährigen Schülerin an einem Ski-Kurs in Österreich als Angelegenheit des täglichen Lebens wertete.

Im Gegenzug hat der umgangsberechtigte Elternteil während seiner Umgangszeiten am Wochenende oder während einer längeren Phase in den Ferien das Recht, mit dem Kind zu verreisen, auch ins Ausland.

Bei einem Umzug handelt es sich um eine Angelegenheit des täglichen Lebens, wenn der Ortswechsel keine Veränderung des Lebensumfeldes des Kindes mit sich bringt. Jedenfalls wenn mit dem Umzug ein Schulwechsel erforderlich ist, ist der Umzug keine Angelegenheit des täglichen Lebens mehr. Bei einem Umzug ins Ausland ist das Einverständnis des anderen Elternteils zwingend.

Autor ist Rechtsanwalt Henning Gralle, Rechtsanwalt, zugleich Fachanwalt für Familienrecht