Auslandsreisen zu Coronazeiten

Über das Ziel entscheidet der umgangsberechtigte Elternteil

Es ist grundsätzlich allein Sache des umgangsberechtigten Elternteils, über den Ort des Ferienumgangs mit den gemeinsamen Kindern und die Art der Ferien zu entscheiden. Bei einer Entscheidung darüber, ob gemeinsame Kinder in den Ferien eine Reise ins Ausland oder gar eine Ferienreise unternehmen, handelt es sich nicht um eine Entscheidung von besonderer Bedeutung, sodass die Zustimmung des anderen Elternteils nicht erforderlich ist.

Dies bedeutet, dass zum Beispiel der Kindesvater während der Besuchswochenenden oder auch während der Ferienzeiten als Berechtigter die Zeit mit seinen Kindern frei gestalten kann und auch verreisen darf. Aktuell hat das Kammergericht Berlin im Mai 2020 noch entschieden, dass eine geplante Reise ins Ausland nach Thailand an den Kata-Beach (Phuket) möglich sei, der andere Elternteil müsse nicht zustimmen. Hinweise auf terroristische Anschläge oder gesundheitliche Risiken seien nicht gegeben, so das Gericht (Aktenzeichen 13 UF 88/18). Eine Ausnahmezustand für Thailand bestehe nicht.

Die Rechtsprechung sieht eine Notwendigkeit, dass beide Elternteile zustimmen, nur, wenn Urlaubsreisen zum Beispiel

  1. in politische Krisengebiete führen sollen, so im Frühsommer 2016 nach Antalya in der Türkei, nach dem dort der Ausnahmezustand ausgerufen worden war und extremistische Gruppen mit terroristischen Anschlägen in Touristenregionen gedroht haben.
  2. in Kriegsgebiete führen soll, so bei einer geplanten Reise in die Ostukraine Mitte 2014 zu einer Zeit von Kriegshandlungen und den Abschuss eines niederländischen Passagierflugzeugs. Eine Reise dorthin erfordert, dass beide Eltern hierzu gemeinsame Entscheidungen treffen.
  3. Kürzlich hat das Oberlandesgericht Frankfurt im März entschieden, dass aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie geplante Flugreisen eines Elternteils mit einem sechsjährigen Kind nach Nicaragua in Anbetracht der dortigen unkalkulierbaren Ansteckungsgefahren während des Fluges und während des Aufenthalts im Land nur zulässig sind, wenn beide Eltern zustimmen.

Aktuell warnt das Auswärtige Amt vor touristischen Reisen ins Ausland bis Ende dieses Monats, von einer Verlängerung ist auszugehen. Dies hat zur Folge, dass zumindest für die Staaten der Europäischen Union, Großbritannien sowie weitere europäische Staaten wie Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz die Reisewarnung nicht gilt, sodass in diese Staaten ohne Zustimmung des anderen Elternteils eine Auslandsreise zulässig sein dürften. Die vom Kammergericht im Mai 2020 getroffene Entscheidung dürfte in Anbetracht der aktuell bestehenden Reisewarnung nicht mehr greifen, beide Elternteile müssten einer Reise ihres minderjährigen Kindes ins Ausland zustimmen.

Grundsätzlich sollten beide Elternteile jeweils dem anderen eine schriftliche Zustimmung erteilen, um zu verhindern, dass der verreisende Elternteil bei der Kontrolle durch die Bundespolizei am Flughafen an einer Ausreise gehindert wird, weil die Zustimmung des anderen, ebenfalls sorgeberechtigten Elternteils fehlt.

Gemeinsame elterliche Sorge – Vollmacht kann ausreichen

„Ausreichend verlässliche Handhabe“ muss sichergestellt sein

Beantragt ein Elternteil die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das eigene Kind, zum Beispiel wegen ärztlicher Behandlungen oder Schulangelegenheiten, kann die Erteilung einer Vollmacht durch den anderen Elternteil eine Variante sein, um die gemeinsame elterliche Sorge beizubehalten. Voraussetzung ist jedoch eine ausreichende Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern, zu kooperieren.

De r Bundesgerichtshof (BGH Aktenzeichen XII ZB 112/19) hat vor wenigen Wochen entschieden, dass eine schriftliche Vollmacht für den bevollmächtigten Elternteil ausreichend sein kann und eine Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich wird. Die Handlungsbefugnisse des Elternteils müssen durch die Vollmacht also so erweitert werden, sodass der Bevollmächtigte in die Lage versetzt wird, in den wesentlichen Kindesbelangen allein tätig zu werden. Voraussetzung ist darüber hinaus, dass eine ausreichende Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft beider Eltern besteht. Erweist sich die erteilte Vollmacht im Rechtsverkehr hinsichtlich einzelner Belange des Kindes als nicht ausreichend, ist die Mitwirkung des anderen Elternteils erforderlich.

„Milderes Mittel“ genügt dem Kindeswohl

Für den Fall eines 7-jährigen Kindes hat der BGH nunmehr entschieden, mit einer Sorgerechtsvollmacht für bestimmte Angelegenheiten (hier Kindergartenaufnahme, Auswahl der Schule und des Worts sowie religiöse Erziehung des Kindes) sei die Kindesmutter im Besitz der erforderlichen Unterlagen. Der Vater hatte der Mutter, bei der das Kind lebt, zwar eine Vollmacht erteilt, die sie berechtigte, alle das Kind betreffende Entscheidungen alleine zu treffen. Die Vollmacht sei als „mildestes Mittel“ zur Vermeidung einer Sorgerechtsübertragung vorzuziehen.

Schwierigkeiten bei der Vertretung des Kindes

Aber: Diese Vollmacht wurde allerdings unter anderem bei der Anmeldung zur Kindertagesstätte nicht anerkannt; die Kita verlangte eine persönliche Einwilligungserklärung des Vaters. Der Vater weigerte sich mit Verweis auf die Vollmacht.

Kritisch sahen die Richter daher, dass der Vater sich über die Vollmachtserteilung hinaus nicht engagieren wollte. Soweit die Vollmacht nicht als Grundlage ausreiche, träfen den Vater weitergehende Mitwirkungspflichten. Der bevollmächtigte Elternteil müsse eine „ausreichend verlässliche Handhabe“ zur Wahrnehmung der Belange des Kindes haben. Diese Verweigerungshaltung könne dazu führen, dass trotz Vollmacht einzelne Bereiche der elterlichen Sorge oder die gesamte elterliche Sorge durch einen Elternteil allein auszuüben sei.

Ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern

E s bleibt also dabei: Die erteilte sogenannte Sorgerechts-Vollmacht löst die Probleme nur auf den ersten Blick, letztendlich wird es darauf ankommen, ob eine Zusammenarbeit in den wesentlichen Belangen des Kindes festgestellt werden kann bzw. bisher konnte. Insbesondere bei konkreten künftigen Maßnahmen wird zu klären sein, inwieweit die Eltern zusammenarbeiten können und inwieweit die Vollmacht jeweils ausreicht, für das Kind Entscheidungen zu treffen.