Kindesmutter darf mit minderjährigen Kindern auswandern

Wegen neuer Liebe: Finnland statt Wesermarsch

Eine junge Mutter aus der Wesermarsch lernt einen neuen Partner kennen, der im Westen Finnlands lebt. Mit den beiden minderjährigen Kindern hatte sie die Stadt in Finnland und den neuen Freund mehrfach besucht und nach reiflicher Überlegung die Entscheidung getroffen, mit den Kindern die Heimat zu verlassen und Richtung Norden zu ziehen. Der geschiedene Ehemann und Kindesvater war mit dem Wechsel ins Ausland nicht einverstanden und der Auffassung, die Tragweite eines Wohnortwechsels in das Ausland könne die Mutter nicht übersehen. Auch er sei in der Lage, die Kinder bei sich aufzunehmen.

Wille der Kinder eindeutig

Das Familiengericht Brake hat in einer aktuellen Entscheidung der Kindesmutter das Recht zugesprochen, mit den beiden Kindern nach Finnland umziehen zu dürfen. Dabei sei zu berücksichtigen, dass nicht nur die Kindesmutter, sondern auch die beiden Kinder im Alter von 10 und 14 Jahren deutlich gemacht hätten, in Finnland einen „Neuanfang“ starten zu wollen. Die Kinder hätten in Finnland bereits Freundschaften geschlossen, und mit dem neuen Lebensgefährten der Kindesmutter kämen sie gut zurecht.

Ferner, so das Familiengericht (Entscheidung zum Aktenzeichen 5 F 208/20 SO vom Juni 2021), bestünde die Beziehung bereits 3 Jahre und sei daher als gefestigt anzusehen und nicht nur vorübergehender Natur. Die Kindesmutter konnte auch einen Arbeitsvertrag für eine Tätigkeit in Finnland vorlegen. Auch für die Kinder sei ein Schulwechsel vorgesehen und zeitnah ein Neubeginn im finnischen Schulbetrieb fest eingeplant.

Kulturelle und soziale Bereicherung

Das Familiengericht ist der Auffassung, dass der Ortswechsel für die beiden Kinder eine Bereicherung, insbesondere in sozialer und kultureller Hinsicht, darstellen könnte. Die Kinder hätten einen klar orientierten Willen geäußert, mit der Kindesmutter mitzugehen und nicht beim Kindesvater zu bleiben.

Den Kindern sei auch bewusst, dass sie ihren Vater lediglich in den Ferien sehen könnten. Beide Kinder, so das Familiengericht, hätten deutlich gemacht, dass ein Verbleib im Haushalt des Kindesvaters vor Ort mit enger Bindung an die jeweiligen Großeltern keine Alternative zu einem Wechsel mit der Kindesmutter nach Finnland darstellen würde. Im Laufe des rund einjährigen Verfahrens habe sich der Wille der Kinder verfestigt.

Unter diesem Gesichtspunkt, so das Gericht, hätten sich keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, dass der Umzug von der Wesermarsch nach Finnland einen negativen Einfluss auf die Kinder habe oder sogar eine Kindeswohlgefährdung darstellen könnte.

Fazit

Dem auswanderungswilligen Elternteil steht es frei, dort zu leben, wo er will. Im Ergebnis kommt es darauf an, ob ein Verbleib beim anderen Elternteil unter dem Gesichtspunkt der Kontinuität und Stabilität angezeigt ist oder ein wiederholter Wille und eine klare Perspektive der Kinder am neuen Wohnort wichtige Aspekte für die Entwicklung der Kinder sind.

Kindesmutter erhält Teilsorge für Impfmaßnahmen

Kommission empfiehlt Standardimpfung

Die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen für ein gemeinsames Kind kann bei Uneinigkeit der Eltern auf den Elternteil übertragen werden, der seine Haltung an den Empfehlungen der Ständigen Impfkommision STIKO orientiert. Über die allgemeine Impffähigkeit des Kindes muss unabhängig von einer konkreten Impfung kein Sachverständigengutachten eingeholt werden, da nach den Empfehlungen der STIKO die Impffähigkeit in der konkreten Impfsituation ärztlich zu prüfen ist und bei einer Kontraindikation zu unterbleiben hat. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main wies die Beschwerde eines Vaters zurück (Aktenzeichen 6 UF 3/21).

Impfen, wenn impffähig

Die Eltern eines dreijährigen Kindes üben gemeinsam die elterliche Sorge aus. Die Mutter möchte das Kind gemäß den Empfehlungen der STIKO impfen lassen. Der Vater ist damit nicht einverstanden und verlangt eine gerichtliche Prüfung der Impffähigkeit des Kindes. Die Mutter hat deshalb beantragt, ihr die Entscheidungsbefugnis über Standardimpfungen zu übertragen. Diesem Antrag hat das Amtsgericht stattgegeben, das OLG bestätigt die Regelung mit folgenden Argumenten:

Wenn sich Eltern in einer einzelnen Angelegenheit, die für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, kann auf Antrag die Entscheidung einem Elternteil übertragen werden. Die Entscheidung über die Durchführung von Schutzimpfungen sei eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung, stellt das OLG fest. Dabei sei die Entscheidungskompetenz dem Elternteil zu übertragen, „dessen Lösungsvorschlag dem Wohl des Kindes besser gerecht wird“. Gehe es um eine Angelegenheit der Gesundheitssorge, sei die Entscheidung zu Gunsten des Elternteils zu treffen, der insoweit das für das Kindeswohl bessere Konzept verfolge. Bei der Übertragung der Entscheidungsbefugnis über Schutzimpfungen auf einen Elternteil könne grundsätzlich maßgeblich darauf abgestellt werden, „dass ein Elternteil Impfungen offen gegenübersteht und seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert, ohne dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens bedarf, wenn im Einzelfall kein Anlass zu weiteren Ermittlungen besteht“.

STIKO-Rat entspricht grundsätzlich dem Kindeswohl

Es könne davon ausgegangen werden, „dass eine an den Empfehlungen der STIKO orientierte Entscheidung der Kindesmutter über vorzunehmende Impfungen im Ausgangspunkt das für das Kindeswohl bessere Konzept im Sinne der Rechtsprechung darstellt“, begründet das OLG. Bei der Abwägung zwischen Risiken im Fall einer Impfung und Risiken bei unterbleibender Impfung könne die Entscheidung auf den Elternteil übertragen werden, der den fachlichen Empfehlungen der STIKO folge. Diesen Empfehlungen komme die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu.

Der Sorge des Vaters um die körperliche Unversehrtheit des Kindes im Hinblick auf den Impfvorgang selbst trügen die Empfehlungen der STIKO ebenfalls Rechnung. Für den Impfvorgang werde von der STIKO eine am Kindeswohl orientierte Vorgehensweise mit im Einzelnen dargestellten Handlungsvorschlägen empfohlen. Dass diese Empfehlungen vorliegend unzureichend seien, sei nicht ersichtlich.

Ausblick:

Auch für mögliche Corona-Impfungen für Kinder unter 16 dürfte die Empfehlung der Kommission ausschlaggebend sein, ob einem Elternteil bei unterschiedlicher Auffassung zum anderen Elternteil die entsprechende Teilsorge für diesen Gesundheitsbereich übertragen wird.

Eltern haben kein Recht, ein Maskenverbot zu fordern

Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung für Schulkinder rechtfertigt keine kinderschutzrechtlichen Maßnahmen durch das Familiengericht gemäß § 1666 BGB. Denn die Maskenpflicht begründet keine Kindeswohlgefährdung. Dies hat das Amtsgericht Wittenberg in einem Urteil am 8. April 2021 entschieden.

Mütter befürchteten mögliche Gefährdung

Dem Fall lag folgender Sachverhalt zugrunde: An einer Grundschule in Sachsen-Anhalt mussten die Schulkinder seit März 2021 während des Präsenzunterrichts eine Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Die Mutter zweier Kinder, welche die Grundschule besuchten, befürchtete durch die Maskenpflicht eine mögliche Gefährdung der Kinder.

Die Kindesmutter verlangte daher vom Amtsgericht Wittenberg, kinderschutzrechtliche Maßnahmen zu prüfen und in diesem Zusammenhang gleichzeitig die Rechtmäßigkeit der Maskenpflicht zu überprüfen.

Gericht: Keine Kindeswohlgefährdung durch Maskenpflicht

Das Amtsgericht Wittenberg (Aktenzeichen 5 F 140/21 EASO) lehnte die Ergreifung kinderschutzrechtlicher Maßnahmen nach § 1666 BGB ab.

Unabhängig davon, dass das Familiengericht nicht die Rechtmäßigkeit der Maskenpflicht überprüfen dürfe und Zweifel daran bestehen, ob die Vorschrift des § 1666 BGB in diesem Fall überhaupt Anwendung finden könne, hielt das Gericht eine Kindeswohlgefährdung in dem Fall für nicht gegeben.

Zunächst stellt das Familiengericht fest: Aus den aktuellen Infektionszahlen wird insgesamt deutlich, dass auch für Grundschulkinder bei einer eigenen Infektion ein zwar im Vergleich zu Erwachsenen geringeres, aber gleichwohl konkretes und nicht nur völlig unerhebliches Risiko einer schwerwiegenden Erkrankung droht. Da es auch bereits zu Todesfällen gekommen ist, begründet auch die vergleichsweise eher geringe Eintrittswahrscheinlichkeit die Notwendigkeit von Schutzmaßnahmen.

Maskenpflicht von Lehrer zu prüfen

Aber: Es steht nach Überzeugung des Wittenberger Gerichts fest, dass mit dem Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in der Schule bei sachgemäßer, durch das Lehrpersonal angeleiteten und überwachten Anwendung, keine erhebliche Gefahr für das körperliche, seelische oder geistige Wohl der Kinder einher geht. Daher besteht nach Ansicht des Gerichts, unabhängig von der Rechtsgrundlage, keinerlei Anlass zu einem Einschreiten in diese Richtung.

Es verhält sich insoweit nicht anders als mit der Anordnung gegenüber den Kindern seitens des Lehrpersonals, bei kühleren Temperaturen auf dem Pausenhof zum Schutz vor Erkältungskrankheiten eine Jacke und einen Schal zu tragen.

Im Ergebnis hat sich durch das Urteil zudem herausgestellt, dass jedenfalls das örtliche Familiengericht für die Abwendung von Corona-Schutzmaßnahmen gegenüber Kindern nicht zuständig sein dürfte.

Masernimpfung dient in der Regel dem Kindeswohl

Impfvorteile überwiegen Impfrisiko

Wer entscheidet, welche altersentsprechende Standardimpfungen durchgeführt werden? Vater oder Mutter?

Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts zählen Impfungen gegen Rotaviren, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, Pneumokokken, Meningokokken, Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Polio, Hib und Hepatitis B zu den Standradimpfungen.

Das Familiengericht im hessischen Dieburg hat Anfang Dezember vergangenen Jahres über folgende Problematik entschieden (Aktenzeichen 51 F 308/20 SO): die Eltern eines zweijährigen Sohnes streiten um die Durchführung der Standardschutzimpfungen für ihr Kind. Die Kindeseltern sind nicht verheiratet, üben jedoch aufgrund einer gemeinsamen Sorgeerklärung die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Kindeseltern leben getrennt, der Sohn hat seinen Lebensmittelpunkt bei der Kindesmutter, die  das Kind impfen lassen will, und zwar nach den Empfehlungen der STIKO. Mit drei Jahren soll der Sohn spätestens in den Kindergarten gehen, dort wird er jedoch nur aufgenommen, wenn er eine Masernimpfung vorweisen kann.

Der Kindesvater beantragt die Abweisung des Antrages. Er halte nichts von Impfungen. Es gäbe Studien, dass geimpfte Kinder genauso oder sogar öfter krank würden als nicht geimpfte Kinder. Außerdem gäbe es keine Versicherung für Impfschäden.

Das Familiengericht betont, dass der Nutzen der streitgegenständlichen Impfungen das Impfrisiko überwiege. Die Impfempfehlungen der STIKO sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als medizinischer Standard anerkannt worden. Die STIKO hat als sachverständiges Gremium die Aufgabe, Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten zu geben und Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung zu entwickeln. Zweck des Infektionsschutzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Impfungen dienen demnach dem Wohl des Einzelnen im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung und in Bezug auf die Gefahr einer Weiterverbreitung dem Gemeinwohl. Auch mit dem letztgenannten Aspekt haben sie einen Bezug zum Schutz des individuellen Kindeswohls, weil das Kind – wenn es etwa noch nicht im impffähigen Alter ist – von der Impfung anderer Menschen, insbesondere anderer Kinder, und der damit gesenkten Infektionsgefahr profitiert.

Die Behauptungen des Kindesvaters alleine vermögen bei dem Gericht keine Zweifel an der Einschätzung der STIKO hervorzurufen.

Dies hat zur Folge, dass das Familiengericht der Kindesmutter die alleinige Befugnis übertragen hat, über Impfmaßnahmen ohne Zustimmung und Mitwirkung des Kindesvaters zu entscheiden.

Vollmacht statt Sorgerechtsentzug

Jugendamt kann mit Sorgevollmacht der Mutter umfassend agieren

Wenn eine reine Passivität des sorgeberechtigten Elternteils für sich gesehen bei einer dem Jugendamt erteilten umfassenden Vollmacht keine gegenwärtige oder zumindest unmittelbar bevorstehende Gefahr für das Kindeswohl darstellt, ist eine Entziehung der elterlichen Sorge unverhältnismäßig und daher nicht zulässig.

Mit Erfolg hat sich eine Mutter gegen die Bestrebungen des Jugendamtes durchgesetzt, ihr die elterliche Sorge für die beiden Kinder im Alter von 15 und 11 Jahren zu entziehen.

Das Oberlandesgericht Oldenburg (Aktenzeichen 33 UF 33/20) hat eine Entscheidung des Familiengerichts Nordhorn aufgehoben. Das Gericht erster Instanz hatte aufgrund des Verbleibs der beiden minderjährigen Kinder in jeweiligen Pflegefamilien eine körperliche, geistige oder seelische Gefährdung des Kindeswohls gesehen und daher zur Gefahrenabwehr einen Vertreter des Jugendamtes zum Vormund des Kindes bestellt.

Welche Maßnahme dient dem Kindeswohl?

Das OLG hat mit Beschluss vom November 2020 festgestellt, dass für die Entziehung der elterlichen Sorge und die Übertragung auf das Jugendamt als Vormund kein Grund vorliege. Eine gegenwärtige oder zumindest unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Entwicklung der beiden Kinder, die bei ihrer Fortdauer eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls der Kinder mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt, ist nicht ersichtlich. Beide Kinder lebten seit 2013 in unterschiedlichen Pflegefamilien, in denen sie sich nach eigenen Angaben sehr wohl fühlen und auch nach Angaben des Jugendamtes und der Verfahrensbeiständin gut betreut und versorgt werden.

Soweit die Kinder bereits Schädigungen an ihrem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl erlitten haben, lassen sich diese Folgen durch den nachträglichen Entzug der elterlichen Sorge nicht beseitigen.

Umfassende Vollmacht für das Jugendamt

ja ja Vielmehr hat die Mutter zur Abwehr einer Entziehung der elterlichen Sorge dem Jugendamt eine umfassende Sorgerechtsvollmacht für die minderjährigen Kinder erteilt, wodurch dieses weiterhin in der Lage ist, in allen wesentlichen Bereichen am Wohl der Kinder orientierte Entscheidungen zu treffen.

Die vom Jugendamt kritisierte und auch von den Kindern in ihrer jeweiligen Anhörung ohne wirkliches Bedauern geschilderte Passivität der Mutter stellt für sich gesehen keine Gefahr für das Wohl der Kinder dar. Dass die Mutter hier entgegen der erteilten Vollmacht im Kindeswohlinteresse liegende Entscheidungen zu „torpedieren“ versucht, ergibt sich weder aus dem Antrag noch aus den Berichten des Jugendamtes oder der Verfahrensbeiständin.

Kleinkind und Hunde – kontrollierter Umgang

FAMILIENRECHT Wohl des kleinen Sohnes muss vom Vater beachtet werden

Im Streit um ein Umgangsrecht hat das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe beschlossen, dass ein Vater sein noch nicht zwei Jahre altes Kind in Gegenwart eines oder mehrerer Hunde nicht unbeaufsichtigt lassen darf. Die grundsätzliche Abwesenheit der Hunde sei beim Umgangskontakt jedoch nicht erforderlich, wie das OLG in einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung beschloss (Beschluss vom 27.10.2020, Aktenzeichen. 1 UF 170/20).

Mutter hat Angst um Gesundheit

Die Eltern sind gemeinsam sorgeberechtigt. Ein Vater hatte eine Umgangsregelung mit dem Kind mit Übernachtungen am Wochenende begehrt. Gerichtsangaben zufolge lebt der Mann mit seiner neuen Lebensgefährtin und insgesamt sieben Hunden, darunter fünf Huskys und einem Labrador, zusammen und betreibt Schlittensport. Die Mutter verweigerte den Umgang jedoch. Es müsse gewährleistet sein, dass das Kind nicht mit mehr als zwei Hunden in Kontakt komme und die anderen in dieser Zeit in einem Zwinger gehalten würden. Das Familiengericht sah das ähnlich wie die Mutter und gestattete die Kontakte nur in Abwesenheit der Hunde.

Vater muss Aufsicht garantieren

Die Beschwerde des Vaters hatte Erfolg. Den Bedenken der Mutter könne auch auf andere Weise Rechnung getragen werden, so das Gericht. So habe der Vater sicherzustellen, „dass das Kind während der Umgangskontakte in Gegenwart von einem oder mehreren im Haushalt lebenden Hund(en) nicht unbeaufsichtigt sein wird.“ Anhaltspunkte für eine Kindeswohlgefährdung seien ebenso wenig ersichtlich wie eine Verletzung der Elternverantwortung des Vaters.

Die Hunderassen seien eher als „menschenfreundlich, sozial und sanftmütig“ bekannt. Da der Vater und seine Lebensgefährtin sich dem Hundesport zugewendet hätten, sei von einem regelmäßigen Training und Grundgehorsam auszugehen. Gleichwohl sei hier, so das OLG, die Aufsichtsverpflichtung an den Vater „zum Zwecke der Klarstellung und mahnenden Erinnerung zu tenorieren“.

Fazit: Vorschrift zur Umgangsgestaltung

Die gerichtliche Entscheidung umfasst üblicherweise nur Regelungen zur Umgangszeit, der Dauer und der Häufigkeit der Kontakte. Die konkrete Gestaltung des Umgangsablaufs obliegt primär dem Umgangsberechtigten, hier dem Kindesvater. Werden seitens eines Elternteils am Kindeswohl orientiert Sicherheitsbedenken erhoben, die sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich darstellen, so ist diesen bei der Ausgestaltung des Umgangs Rechnung zu tragen bzw. sind diese ggf. dann auch in die familiengerichtliche Regelung, wie im Hundefall, aufzunehmen.

 

Gemeinsame elterliche Sorge: Antrag des Vaters schon vor der Geburt des Kindes zulässig

Bei der Geburt ehelicher Kinder sind beide Elternteile berechtigt, die elterliche Sorge für ihr Kind gemeinsam auszuüben. Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, steht der Kindesmutter die elterliche Sorge zunächst allein zu. Neben einer gemeinsamen Sorgeerklärung gegenüber dem Jugendamt oder dem Notar sowie einer Hochzeit hat der Kindesvater auch die Möglichkeit, beim Familiengericht einen Antrag auf Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu stellen.

Aktueller Fall

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen 11 UF 253/19) festgestellt, dass auch vor der Geburt des Kindes eine gerichtliche sorgerechtliche Entscheidung möglich ist.

Das OLG hat dabei eine Entscheidung des Familiengerichts der ersten Instanz (Amtsgericht) bestätigt. Das Amtsgericht hatte 14 Tage vor der Geburt des Kindes in das elterliche Sorgerecht eingegriffen und den Eltern die Sorge für wesentliche Bereiche der elterlichen Sorge (hier Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmungsrecht) entzogen.

Die Mutter durfte ihren Sohn einige Stunden nach der Geburt bei sich behalten. Dann wurde er vom Jugendamt in einer Bereitschaftspflegefamilie untergebracht. Die Mutter wurde psychologisch betreut. Umgangskontakte zwischen dem inzwischen geborenen Kind und seinen Eltern finden zweimal in der Woche statt.

Sorgeentscheidung vor Geburt

Das Besondere an dieser Entscheidung: bisher war es einhellige Auffassung, dass die elterliche Sorge erst mit der Geburt, also nicht bereits zuvor, entzogen werden kann. Solange das Kind noch nicht geboren ist, liegt ein wirksamer Sorgerechtsentzug dementsprechend noch nicht vor. Mit der Geburt des Kindes entfaltet der vorgeburtliche Sorgerechtsentzug jedoch Wirkung und hat formell Bestandskraft. Die Rechtsprechung ist überwiegend der Ansicht, dass ein vorgeburtlicher Sorgerechtsentzug erst mit der Geburt wirksam werde, alles andere sei eine verfassungsrechtlich nicht statthafte sogenannte „Vorratsentscheidung“.

Das OLG teilt diese Auffassung nicht, es sieht vielmehr eine Parallele zur gemeinsamen Sorgeerklärung der nicht miteinander verheirateten Eltern.

Hauptpunkt der Entscheidung

Obwohl das Sorgerecht vor der Geburt des Kindes noch nicht entstanden ist, kann die Sorgeerklärung gemäß § 1626b Absatz 2 BGB bereits vorgeburtlich abgegeben werden. Analog hierzu muss eine vorgeburtliche Sorgerechtsentscheidung möglich sein, die mit der Geburt des Kindes Wirkung entfaltet.

Keine politische Mehrheit für gemeinsame Sorge

Als Ende 2019 eine eigens im Bundesministerium der Justiz (BMJV) eingesetzte Arbeitsgruppe zum einstimmigen Ergebnis kam, dass unverheiratete Väter, deren Vaterschaft rechtlich anerkannt ist, mit Geburt des Kindes wie die Mutter automatisch sorgeberechtigt sein sollen, hätte niemand daran gedacht, dass sich das Ministerium über dieses Votum von acht Experten des Familienrechts hinwegsetzen würde.

Doch genau dazu ist es gekommen. Das BMJV hat vorgeschlagen, kein automatisches Sorgerecht für unverheiratete Väter vorzusehen, sondern die gemeinsame Sorge weiterhin an die Zustimmung der Mutter zu knüpfen. Weigert sich diese, soll der Vater wohl auch künftig den Weg übers Familiengericht gehen und einen Antrag auf gemeinsame Sorge stellen müssen. Das Familiengericht prüft dann, ob die gemeinsame Sorge dem Wohl des Kindes entspricht.

Wegen Corona: Kindesmutter darf mit neunjährigen Sohn nicht in die Türkei

Süd-Oldenburg statt Antalya

Die aktuelle Corona-Problematik greift in weite Bereiche des täglichen Lebens ein, so auch in Urlaubsfahrten. Bereits im November 2019 buchte die Kindesmutter eine Reise für die Herbstferien in die Türkei. Mit ihrem fast zehnjährigen Sohn wollte sie in die Touristenregion in Antalya für knapp 14 Tage besuchen. Der ebenfalls sorgeberechtigte Kindesvater war damit nicht einverstanden und der Auffassung, dass in Anbetracht der Unwägbarkeiten mit Corona sein Sohn im Großraum Cloppenburg bleiben sollte. 

Dieser Auffassung des Vaters ist das Familiengericht Cloppenburg in einer aktuellen Entscheidung gefolgt und hat beschlossen, dass der Kindesvater darüber entscheiden darf, ob dessen Sohn mit den Urlaub darf oder nicht, Amtsgericht Cloppenburg, Aktenzeichen 11 F 786/20 SO vom 30. September 2020.

Keine Angelegenheit des täglichen Lebens

Zunächst stellt das Familiengericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung weiterer Oberlandesgerichte fest, dass aktuell eine Urlaubsreise mit dem Flugzeug ins Ausland keine Angelegenheit des täglichen Lebens sei. Urlaubsreisen in Zeiten von Corona, so das Amtsgericht Cloppenburg, würden eine neue Herausforderung mit Unsicherheiten darstellen, für die bisher eben eine routinemäßige Handhabung bei durch Covid-19 herausgeforderten Schutzmaßnahmen fehle. Die Corona Pandemie sei mit vielen Unwägbarkeiten verbunden, es bestünde keine Planungsverlässlichkeit, die aktuelle Situation sei dynamisch. „Wie schnell sich das Infektionsgeschehen verschlimmern kann, musste gerade hier im Landkreis Cloppenburg kürzlich festgestellt werden“, begründet das Gericht seine Entscheidung. Längere Quarantänezeiten oder ein festsetzen von Urlaubsrückkehrern im Ausland sei möglich, was eine nicht unerhebliche Belastung für das seelische Wohlbefinden eines Kindes darstelle, wenn es davon betroffen sei. Hinzu komme, dass Abwesenheitszeiten im Schulbetrieb möglich seien, die ein schulisches Fortkommen und Lernerfolge beeinträchtigen. Ein Schuhstart nach den Herbstferien sei für Rückreisende aus der Türkei aufgrund der aktuellen Problematik nicht gesichert. Dies, so das Gericht, habe zur Folge, dass beide Eltern über Flugreisen ins Ausland entscheiden müssen.

Keine Übereinstimmung: Kindesvater entscheidet

Vorliegend hat dann das Familiengericht bestimmt, dass dem Kindesvater, der Auslandsreisen in Coronazeiten ablehnt, das Recht übertragen wird, über die Urlaube seines Sohnes zu entscheiden. Vorliegend habe, so das Familiengericht, die Türkei höhere Corona-Fallzahlen als Deutschland, darüber hinaus sei das dortige Gesundheitssystem mit deutschem Standard nicht zu vergleichen. Sollte sich der Sohn in der Türkei infizieren, sei seine gesundheitliche Versorgung nicht so gut gesichert wie in Deutschland. Den Bedenken des Kindesvaters sei daher der Vorzug zu gewähren, sodass der Sohn nicht in die Türkei verreist.

Ergebnis:

Obwohl aktuell für die Provinz Antalya in der Türkei keine Reisewarnung vorliege, sei eine Reise dorthin mit vielen Unwägbarkeiten verbunden. Eine Notwendigkeit, die Gefahren einer Infektion und insbesondere eine anschließenden Quarantäne in Kauf zu nehmen, sei unter dem Gesichtspunkt des Kindeswohls nicht erkennbar. Der Kindesmutter steht es frei, ohne ihren Sohn in die Türkei zu reisen.

NWZ Artikel eingeskannt

Keine Flugreise nach Mallorca mit dem Kind

Beide Eltern müssen mit dem Auslandsurlaub während Corona einverstanden sein

Die Flugreise eines getrennt lebenden Elternteils mit dem gemeinsamen Kind ist in der Zeit der Corona-Pandemie keine Angelegenheit des täglichen Lebens mehr und bedarf daher der Zustimmung des anderen mitsorgeberechtigten Elternteils. Dies entschied das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig am 30.Juli 2020, Aktenzeichen 2 UF 88/20).

Normalerweise bieten Flugreisen in das europäische Ausland wenig Anlass für Streitigkeiten zwischen den Eltern. Wenn die Reise nicht mit Nachteilen oder Gefahren für das Kind verbunden ist, kann grundsätzlich der jeweils betreuende Elternteil allein über die Auslandsreise entscheiden – auch, wenn es eine Flugreise ist. In Zeiten der Corona-Pandemie sieht das allerdings anders aus, so das OLG.

Eine Mutter hatte in den Sommerferien eine Flugreise nach Mallorca mit den beiden gemeinsamen Kindern gebucht. Der Vater war damit jedoch nicht einverstanden. Können sich die Eltern nicht einigen, kann das Familiengericht auf Antrag einem Elternteil die Entscheidungsbefugnis darüber übertragen.

Nach Auffassung des Gerichts muss eine Flugreise ins Ausland derzeit wegen der Gefahren durch Corona durch beide sorgeberechtigten Elternteile gemeinsam entschieden werden. Dies gelte auch dann, wenn keine Reisewarnung für das Urlaubsziel bestehe. Es sei weiterhin keine Planungsverlässlichkeit bezüglich eines gebuchten Rückfluges gewährleistet, so das OLG. Bei einem erneuten Ausbruch des Virus bestehe die Gefahr längerer Quarantänen oder eines Festsitzens im Ausland. Das könne zu einer erheblichen Belastung für das seelische Wohlbefinden eines Kindes führen. Außerdem sei nicht geklärt, welche konkrete, gegebenenfalls erhöhte Ansteckungsgefahr im Zusammenhang mit Flugreisen bestehen könnte.

Aktuell wird vor nicht notwendigen touristischen Reisen ins Ausland weiterhin gewarnt. Dies gilt auch für zahlreiche Bereiche innerhalb der Europäischen Union, sodass für diese Zeiten der Reisewarnungen davon auszugehen ist, dass derjenige Elternteil über die Urlaubsreisen entscheidet, der sich gegen eine Reise ins Ausland entscheidet. Erst recht dürfte dies gelten für nicht EU-Staaten wie zum Beispiel die Türkei und auch die Teilnahme an Kreuzfahrten mit den minderjährigen Kindern.

Gemeinsame elterliche Sorge – Vollmacht kann ausreichen

„Ausreichend verlässliche Handhabe“ muss sichergestellt sein

Beantragt ein Elternteil die Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge für das eigene Kind, zum Beispiel wegen ärztlicher Behandlungen oder Schulangelegenheiten, kann die Erteilung einer Vollmacht durch den anderen Elternteil eine Variante sein, um die gemeinsame elterliche Sorge beizubehalten. Voraussetzung ist jedoch eine ausreichende Fähigkeit und Bereitschaft der Eltern, zu kooperieren.

De r Bundesgerichtshof (BGH Aktenzeichen XII ZB 112/19) hat vor wenigen Wochen entschieden, dass eine schriftliche Vollmacht für den bevollmächtigten Elternteil ausreichend sein kann und eine Übertragung des Sorgerechts ganz oder teilweise entbehrlich wird. Die Handlungsbefugnisse des Elternteils müssen durch die Vollmacht also so erweitert werden, sodass der Bevollmächtigte in die Lage versetzt wird, in den wesentlichen Kindesbelangen allein tätig zu werden. Voraussetzung ist darüber hinaus, dass eine ausreichende Kooperationsfähigkeit und Kooperationsbereitschaft beider Eltern besteht. Erweist sich die erteilte Vollmacht im Rechtsverkehr hinsichtlich einzelner Belange des Kindes als nicht ausreichend, ist die Mitwirkung des anderen Elternteils erforderlich.

„Milderes Mittel“ genügt dem Kindeswohl

Für den Fall eines 7-jährigen Kindes hat der BGH nunmehr entschieden, mit einer Sorgerechtsvollmacht für bestimmte Angelegenheiten (hier Kindergartenaufnahme, Auswahl der Schule und des Worts sowie religiöse Erziehung des Kindes) sei die Kindesmutter im Besitz der erforderlichen Unterlagen. Der Vater hatte der Mutter, bei der das Kind lebt, zwar eine Vollmacht erteilt, die sie berechtigte, alle das Kind betreffende Entscheidungen alleine zu treffen. Die Vollmacht sei als „mildestes Mittel“ zur Vermeidung einer Sorgerechtsübertragung vorzuziehen.

Schwierigkeiten bei der Vertretung des Kindes

Aber: Diese Vollmacht wurde allerdings unter anderem bei der Anmeldung zur Kindertagesstätte nicht anerkannt; die Kita verlangte eine persönliche Einwilligungserklärung des Vaters. Der Vater weigerte sich mit Verweis auf die Vollmacht.

Kritisch sahen die Richter daher, dass der Vater sich über die Vollmachtserteilung hinaus nicht engagieren wollte. Soweit die Vollmacht nicht als Grundlage ausreiche, träfen den Vater weitergehende Mitwirkungspflichten. Der bevollmächtigte Elternteil müsse eine „ausreichend verlässliche Handhabe“ zur Wahrnehmung der Belange des Kindes haben. Diese Verweigerungshaltung könne dazu führen, dass trotz Vollmacht einzelne Bereiche der elterlichen Sorge oder die gesamte elterliche Sorge durch einen Elternteil allein auszuüben sei.

Ausreichende Kooperationsfähigkeit und -bereitschaft der Eltern

E s bleibt also dabei: Die erteilte sogenannte Sorgerechts-Vollmacht löst die Probleme nur auf den ersten Blick, letztendlich wird es darauf ankommen, ob eine Zusammenarbeit in den wesentlichen Belangen des Kindes festgestellt werden kann bzw. bisher konnte. Insbesondere bei konkreten künftigen Maßnahmen wird zu klären sein, inwieweit die Eltern zusammenarbeiten können und inwieweit die Vollmacht jeweils ausreicht, für das Kind Entscheidungen zu treffen.