Wer entscheidet über die religiöse Erziehung? Mutter oder Vater?

Die Eltern, gleich ob verheiratet oder nicht, erziehen ihre Kinder auch im religiösen Einvernehmen der bisherigen Familie. Bei unterschiedlichen Konfessionen ist die Frage, wie frühzeitig eine Integration des gemeinsamen Kindes in die Glaubensgemeinschaft eines Elternteils angezeigt ist oder nicht.

Die religiöse Kindererziehung als Teil der elterlichen Personensorge hat auch den Willen jüngerer Kinder besonders zu berücksichtigen. Die Religionsmündigkeit des Kindes beginnt mit Vollendung des 14. Lebensjahres. Denn nach der Vollendung des 14. Lebensjahrs steht dem Kinde die Entscheidung darüber zu, zu welchem religiösen Bekenntnis es sich halten will, so das Gesetz über die religiöse Kindererziehung.

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen 17 UF 292/15) nunmehr der katholischen Kindesmutter das Recht gegeben, für den neunjährigen Jungen darüber zu entscheiden, wie er religiös erzogen werden soll. Der Kindesvater war serbisch-orthodoxer Konfession. Eine Taufe des neunjährigen Kindes war nicht erfolgt.

Das Familiengericht hat argumentiert, dass das Kind seinen Glauben praktiziere und den Wunsch geäußert habe, dass es die baldige Taufe und Kommunion wünsche. Das Kind wachse bei der Kindesmutter in einem katholischen Umfeld auf und werde durch dieses geprägt. Falls es nicht an der Kommunion teilnehmen dürfe, sei nicht auszuschließen, dass das Kind seinen Vater dafür verantwortlich mache und das Eltern-Kind-Verhältnisse leide. Von daher sei, so das Gericht, der Kindesmutter die Alleinentscheidungsbefugnis über Taufe und Kommunion zuzusprechen, um die sofortige Integration des Kindes in eine Glaubensgemeinschaft zu ermöglichen.

Inwieweit das Kontinuitätsprinzip eine Rolle spielt, lässt das OLG Stuttgart offen: denn Kindeseltern mit einer unterschiedlichen weltanschaulichen Ausrichtung haben zumeist während des Zusammenlebens ein Einvernehmen erzielt, wie sie mit diesem Unterschied umgehen. Die unterschiedlichen Konfessionen haben das Kind durchaus geprägt, sodass im Einzelfall zu berücksichtigen ist, wie bis zur Religionsmündigkeit über diese Fragen der religiösen Erziehung zu entscheiden ist.

 

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle, Oldenburg, zugleich Fachanwalt für Familienrecht; nähere Angaben unter www.fachanwalt-gralle.de

Der Wille eines fast zehnjährigen Kindes ist zu beachten

Rund ein Drittel der Ehen in Deutschland wird geschieden, etwa 35 % der Kinder werden unehelich geboren. Im Falle der Trennung der Eltern ist durch die Familiengerichte über das Sorgerecht zu entscheiden, wenn die Eltern zu Fragen des Aufenthalts des Kindes, zu Gesundheitsfragen oder Vermögensangelegenheiten in Streit geraten. Bei Sorgerechtsregelungen hat sich die gerichtliche Entscheidung am Kindeswohl zu orientieren. Dieser unbestimmte Begriff des Kindeswohls wird in der Rechtsprechung präzisiert: neben der Kontinuität (insbesondere zum Aufenthaltsort), der Förderungskompetenz der Eltern und den Bindungen des Kindes fließt in die Bewertung des Gerichts auch der Kindeswille ein, da das Kind selbst Grundrechtsträger ist mit dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. Mit zunehmendem Alter des Kindes gewinnt der geäußerte Wille eine entsprechend stärkere Bedeutung.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat sich in einer vor wenigen Wochen mitgeteilten Entscheidung (Aktenzeichen BvR 1914/17) mit einer sorgerechtlichen Frage für ein fast zehnjähriges Kind beschäftigt und bestätigt, dass ab dem vollendeten dritten Lebensjahr das Kind anzuhören sei. Daneben bestehe die Möglichkeit der Bestellung eines Verfahrensbeistandes (Anwalt des Kindes) sowie weitergehend auch die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Es bleibe, so das Verfassungsgericht in Karlsruhe, Aufgabe der Gerichte, von Amts wegen die notwendige Kindeswohlprüfung vorzunehmen und die juristisch nicht zu bewertenden Fragen gegebenenfalls durch einen Sachverständigen klären zu lassen.

Neben dem Risiko einer Manipulation des Kindes müsse auch ein möglicher Loyalitätskonflikt beachtet werden. Der Stabilität des geäußerten Kindeswillens müsse besondere Bedeutung gewidmet werden, Feststellungen zur Bedürfnislage des Kindes seien zutreffend, ebenso Feststellungen dazu, welche Faktoren für diese Bedürfnisse ausschlaggebend seien. Der subjektiv geäußerte Kindeswille sei nicht automatisch mit dem objektiven Kindeswohl vereinbar.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle, Oldenburg, zugleich Fachanwalt für Familienrecht: nähere Infos unter: www.fachanwalt-gralle.de

Wechselmodell? Nur bei Gesprächsbereitschaft

Gesellschaftliche Entwicklungen führen auch bei der Betreuung von minderjährigen Kindern zu Veränderungen. Die klassische Rollenverteilung der Betreuung der Kinder durch die Mutter einerseits und eine vollschichtige Berufstätigkeit des Vaters als finanzieller Versorger andererseits ist zwar noch prägend, bei der Betreuung der Kinder findet jedoch die nahezu zeitlich gleichwertige Betreuung der Kinder durch beide Elternteile immer mehr Bedeutung. Das sogenannte Wechselmodell wird in vielen Familien immer häufiger angedacht, dies hat also zur Folge, dass Vater und Mutter ihre Kinder im wesentlichen zu gleichen Teilen (jeweils zu 50 %) betreuen.

Ein Wechselmodell kommt jedoch nur in Betracht, wenn eine Kommunikation zwischen den Eltern besteht. Fehlt es daran, so dient das Wechselmodell nicht dem Kindeswohl und ist daher abzulehnen. Dies geht aus zwei aktuellen Entscheidungen hervor.

Fall 1: Der Vater eines Kindes beantragte Ende 2016 eine Abänderung der im April 2014 getroffenen Umgangsvereinbarung. Der Vater hielt ein paritätisches Wechselmodell für angebracht. Das Kammergericht Berlin bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und lehnte ein Wechselmodell ab. Die Abänderung einer getroffenen Umgangsregelung sowie die Anordnung eines Wechselmodells seien nur aus Gründen des Kindeswohls zulässig. Diese Voraussetzung liege angesichts der seit Jahren andauernden erheblichen Konfliktbelastung der Eltern und deren deutlich eingeschränkte Fähigkeit, angemessen miteinander zu kommunizieren und zu kooperieren, nicht vor.

Das paritätische Wechselmodell entspreche bei bestehender hoher elterlicher Konfliktbelastung in der Regel nicht dem Kindeswohl, so das Kammergericht. Denn das Kind werde durch vermehrte oder ausgedehnte Kontakte mit dem anderen Elternteil verstärkt mit dem elterlichen Streit konfrontiert und gerate durch den von den Eltern oftmals ausgeübten Koalitionsdruck in Loyalitätskonflikte. Hinzu komme der bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung erhöhte Abstimmungs- und Kooperationsbedarf.

Fall 2: Folgender Sachverhalt: Die getrennt lebenden Eltern zwei minderjähriger Kinder stritten in einem Verfahren vor dem Amtsgericht seit 2014 über das Aufenthaltsbestimmungsrecht. Die Kinder lebten bei ihrem Vater. Da die Mutter in Sachsen wohnte und die Kinder damit aus ihrem sozialen Umfeld gerissen würden, lehnte das Amtsgericht eine Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf die Mutter ab. Dieses Recht erhielt vielmehr der Vater. Die Mutter legte dagegen Beschwerde ein, beantragte aber nunmehr die Anordnung eines Wechselmodells.

Das Oberlandesgericht Brandenburg (Aktenzeichen 10 UF 2/17) entschied gegen die Mutter.  Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts auf den Vater sei nicht zu beanstanden. Die Anordnung eines Wechselmodells komme ebenfalls nicht in Betracht.

Voraussetzung für die Anordnung eines Wechselmodells sei, so das Oberlandesgericht, dass die geteilte Betreuung durch beide Elternteile im Vergleich mit anderen Betreuungsmodellen dem Kindeswohl am besten entspreche. Zudem erfordere ein Wechselmodell Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern. Denn bei der praktischen Verwirklichung der geteilten Betreuung ergebe sich ein erhöhter Abstimmungs- und Kooperationsbedarf. An einer ausreichenden Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit der Eltern habe es hier aber aus verschiedenen Gründen gefehlt. So haben sich die Eltern trotz einer Mediation nicht über den bevorstehenden Wechsel eines der Kinder auf eine weiterführende Schule ausgetauscht.

Autor dieses Beitrages: Rechtsanwalt Henning Gralle, Oldenburg, zugleich Fachanwalt für Familienrecht; www.fachanwalt-gralle.de

 

Kommunikation gestört – keine gemeinsame elterliche Sorge

Gemeinsame Verantwortung für ein Kind übernehmen heißt im Ergebnis, die elterliche Sorge gemeinsam auszuüben. Hierfür bedarf es gemeinsamer Entscheidungen im Sinne des Kindes. Die Kommunikation zwischen den Eltern muss funktionieren, besteht keine Gesprächsgrundlage, können auch für das Kind keine gemeinsamen Entscheidungen getroffen werden. Über die entsprechenden Folgen der fehlenden Kommunikation im Bereich der elterlichen Sorge hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) in Bremen entschieden. Der zwölfjährige Sohn der Eltern lebte im Haushalt der Mutter in der Stadt Bremen. Die Mutter war allein sorgeberechtigt, da es sich um ein uneheliches Kind handelte. Eine gemeinsame Sorgeerklärung haben die Eltern nicht abgegeben, der Kindesvater wollte erreichen, dass die elterliche Sorge für den Jungen gemeinsam ausgeübt wird.

Für eine gemeinsame Elternverantwortung ist ein Mindestmaß an Übereinstimmung in wesentlichen Bereichen der elterlichen Sorge erforderlich, insgesamt muss eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Eltern gegeben sein. Eine derartige Störung liegt vor, wenn Eltern sich in der gebotenen Weise nicht mehr sachlich über die Belange des Kindes austauschen können. Konstruktive Verantwortung ist nicht mehr möglich, wechselseitige Vorwürfe im Zuge der beiden gerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Bremen und dem Oberlandesgericht Bremen prägten die Kommunikation. Der Umgang zwischen Vater und Kind kam völlig zum Erliegen, das Kind wollte auch keine Besuchskontakte zum Vater mehr ermöglichen. Der Vater warf der Mutter vor, sie blockiere den Umgang und beeinflusste das Kind.

Ob die Vorwürfe des Vaters zu treffen, sei nicht entscheidend. Vielmehr, so das OLG, hätte sich herausgestellt, dass zwischen Vater und Mutter und zwischen Vater und Kind keine Kommunikation möglich sei. Der Vater berücksichtige die Bedürfnisse seines immerhin schon zwölfjährigen Sohnes nicht ausreichend. Im Ergebnis sei es für das Kindeswohl besser, wenn die Mutter -wie bisher – die elterliche Sorge allein ausübe.

Eine gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge komme nicht in Betracht, beide Eltern bleiben jedoch verpflichtet, an Beratungsgesprächen teilzunehmen.

 

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle, Oldenburg. www.fachanwalt–gralle.de

Wenn die Besuchsregelung verweigert wird

Bestellte Begleitperson regelt Kindesübergabe mit der Mutter

Wenn bei getrennten Paaren der Elternteil, bei dem ein gemeinsames Kind lebt, vereinbarte Besuchskontakte verweigert, kann eine Umgangspflegschaft den Kontakt zum Kind möglich machen.

 Der Fall:

Die Eltern, gleich ob verheiratet oder nicht verheiratet, trennen sich, das minderjährige Kind verbleibt bei einem Elternteil, meistens bei der Mutter. Mit dem anderen Elternteil wird eine Besuchsregelung vereinbart, häufig muss für eine derartige Umgangsregelung bereits das Familiengericht angerufen werden. Doch trotz gerichtlicher Vereinbarung hält sich die Kindesmutter hieran nicht und schirmt das Kind vom Kindesvater ab. Besuchskontakte werden regelmäßig abgesagt, Übergabetermine werden nicht eingehalten, bei der Übergabe kommt es zu Konflikten.

Um diesen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, sieht das Familienrecht die Einrichtung einer sogenannten Umgangspflegschaft oder einer Begleitung bei den Kindesübergaben vor.

Das Urteil:

In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt vor wenigen Wochen entschiedenen Fall (Aktenzeichen 4 UF 3/2017) hatte ein Vater vor dem Familiengericht einen Umgangskontakt mit seinem dreijährigen Sohn für jeden Sonnabend für die Dauer von 4 Stunden in der Zeit von 14 bis 18 Uhr vereinbart. Die Kindesmutter hat die Besuchsregelung torpediert, sogar ein gerichtlich bestellter Gutachter hat festgestellt, dass der Mutter in Bezug auf den Vater die nötige Toleranz fehle, Bindungen zwischen Vater und Kind zuzulassen.

Diese Blockadehaltung, so das OLG, beeinträchtige die gesunde Entwicklung des Kindes, denn der unbefangene Kontakt zum Vater und die Möglichkeit, dessen Lebenswelt kennen zu lernen, seien für die eigene Lebensgestaltung wichtig.

Umgangspflegschaft ermöglicht Kindkontakt

Dennoch: ein Sorgerechtsentzug zulasten der Kindesmutter kommt nicht in Betracht. Denn diese kümmere sich im Übrigen gut um den Sohn. Für die Regelung der Besuchskontakte bedarf es nach der Auffassung der Frankfurter Familienrichter einer Umgangspflegschaft. Diese dient der Organisation der Umgangskontakte durch Vermittlung zwischen beiden Eltern und der Festlegung von Umgangsmodalitäten. Ein Umgangspfleger, zum Beispiel ein Sozialpädagoge, hat dann das Recht auf Herausgabe des Kindes gegenüber der Kindesmutter und Durchführung und Gestaltung der Umgangskontakte mit dem Vater. Während der Umgangszeit ist der Kindesvater in der Gestaltung frei.

Erst wenn eine Pflegschaft scheitert, muss über sorgerechtliche Maßnahmen gegenüber der Kindesmutter nachgedacht werden. Im Ergebnis wird auch mit dieser Entscheidung deutlich, dass Zwangvollstreckungsmaßnahmen in Kindschaftsangelegenheiten zur Gestaltung von sorgerechtlichen Fragen oder Umgangsproblemen nicht angezeigt sind.

Impfschutz oder kein Impfschutz?

Viele Eltern sind sich einig, ihre Kinder gegen Tetanus oder Masern impfen zu lassen oder auch nicht. Doch was passiert, wenn die Eltern sich über den Impfschutz streiten. In einem aktuellen Fall waren die nichtehelichen Eltern für ihre fünfjährige Tochter gemeinsam sorgeberechtigt. Diese lebt bei der Mutter.

Der Vater befürwortet die Durchführung der altersentsprechenden Schutzimpfungen, die durch die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) empfohlen werden. Die Mutter ist der Meinung, das Risiko von Impfschäden wiege schwerer als das allgemeine Infektionsrisiko. Wenn Impfschäden mit Sicherheit ausgeschlossen werden könnten, könne sie eine anlassunabhängige Impfung ihrer Tochter befürworten.

Das Familiengericht Erfurt hat dem Vater das Entscheidungsrecht über die Durchführung von Impfungen übertragen. Das OLG Jena hat die Entscheidungsbefugnis des Vaters auf Schutzimpfungen gegen Tetanus, Diphtherie, Pertussis, Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps und Röteln beschränkt. Diese Entscheidung wurde vom obersten Familiengericht, dem Bundesgerichtshof (BGH), bestätigt.

Das Familiengericht ist berechtigt, wenn sich die Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge in einer einzelnen Angelegenheit,  deren Regelung für das Kind von erheblicher Bedeutung ist, nicht einigen können, auf Antrag eines Elternteils die Entscheidung einem Elternteil zu übertragen.

Die Durchführung von Schutzimpfungen stellt keine alltägliche Angelegenheit dar, die in die Entscheidungsbefugnis des Elternteils fiele, bei dem sich das Kind aufhält, sondern eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung für das Kind. Bei Impfungen handelt es sich bereits nicht um Entscheidungen, die als Alltagsangelegenheiten häufig vorkommen. Die Entscheidung, ob das Kind während der Minderjährigkeit gegen eine bestimmte Infektionskrankheit geimpft werden soll, fällt im Gegensatz zu Angelegenheiten des täglichen Lebens regelmäßig nur einmal an. Sowohl das durch eine Impfung vermeidbare und mit möglichen Komplikationen verbundene Infektionsrisiko als auch das Risiko einer Impfschädigung belegen die erhebliche Bedeutung.

Der BGH hat den Vater als besser geeignet angesehen, um über die Durchführung der aufgezählten Impfungen des Kindes zu entscheiden. Es hat hierfür in zulässiger Weise darauf abgestellt, dass der Vater seine Haltung an den Empfehlungen der STIKO orientiert. Diese Impfempfehlungen sind vom BGH bereits als medizinischer Standard anerkannt. Da keine einschlägigen Einzelfallumstände wie etwa beim Kind bestehende besondere Impfrisiken vorliegen, kann auf die Impfempfehlungen als vorhandene wissenschaftliche Erkenntnisse zurückgegriffen werden. Die von der Mutter erhobenen Vorbehalte, die aus ihrer Befürchtung einer „unheilvollen Lobbyarbeit von Pharmaindustrie und der Ärzteschaft“ resultieren, sind kein Argument, von einer Impfempfehlung Abstand zu nehmen.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle, zugleich Fachanwalt für Familienrecht.

Kein Extra-Geld für Kinderkleidung

Bestehen zwischen den Eltern von Kindern Spannungen, so führen diese Spannungen nicht nur zur Belastung bei den Kindern, sondern auch bei den jeweiligen Eltern selbst. Die emotionalen Schwierigkeiten auf Paarebene spiegeln sich in der täglichen Praxis wider.

Zwei Söhne, sieben und neun Jahre alt, lebten nach der Trennung der Eltern bei der Kindesmutter. Beide Eltern hatten die gemeinsame elterliche Sorge. Zwischen den Eltern wurde vereinbart, dass die Mutter zu den Umgangskontakten beim Vater eine bestimmte Kleidung, bestimmte Anzahl von Schuhen sowie eine bestimmte Tennisausrüstung mitzugeben hatte. Die Mutter hat sich an die Vereinbarung nicht gehalten und war der Auffassung, der Kindesvater, Zahnarzt, könne die Kleidung für seine beiden Jungs selbst zahlen. Dem ist das Kammergericht (KG) Berlin in einer aktuellen Entscheidung von Anfang März 2017 (Aktenzeichen 13 WF 39/17) nicht gefolgt. Es hat der Mutter aufgegeben, die Vereinbarung einzuhalten. Denn es sei die Pflicht des betreuenden Elternteils, sich loyal zu verhalten und die eigenen Kinder mit der für den Umgang erforderlichen Bekleidung auszustatten. Dazu zähle Kleidung und Wechselwäsche.

Denn die Bekleidung des Kindes ist Bestandteil des Unterhaltsanspruchs. Vorliegend zahlt der Kindesvater Kindesunterhalt und deckt damit den sogenannten Barbedarf des Kindes ab, die Kindesmutter erbringt Betreuungsleistungen. Die Unterhaltszahlungen des Vaters sind gerade dazu bestimmt, um für das Kind Bekleidung anzuschaffen. Es könne, so das Berliner Familiengericht, keine Rede davon sein, dass es Sache des Vaters sei, die beiden Söhne beim Umgang mit der erforderlichen Kleidung auszustatten. Die Ausstattung obliege grundsätzlich der Mutter, dabei sei nicht ausgeschlossen, dass das eine oder andere Kleidungsstück auch einmal vom Vater beigesteuert wird.

Weil die Kindesmutter die Umgangsvereinbarung mit der Kleidungsregelung nicht eingehalten hatte, wurde gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von immerhin 500 Euro festgesetzt, diese Regelung hat das KG bestätigt. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Umgangsvereinbarungen in sowohl hinsichtlich des Übergabeortes, des Beginns und des Endes einschließlich Uhrzeiten sowie der Regelung zu Kleidung so genau wie möglich zu fassen sind. Dies gilt auch für Ferienzeiten und insbesondere für Feiertage, die immer wieder Konfliktpotenzial beinhalten.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle (Oldenburg), zugleich Fachanwalt für Familienrecht.

Auskunftsrechte gegenüber dem Jugendamt

Jeder Elternteil kann von dem anderen Elternteil bei einem berechtigten Interesse Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des eigenen Kindes verlangen. Dieser Informationsanspruch soll auch dann gelten, wenn Besuchsrechte ausgeschlossen sind oder auf briefliche bzw. telefonische Kontakte beschränkt sind. Das Auskunftsrecht kann insbesondere auch derjenige erhalten, dem das Sorgerecht entzogen wurde.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen XII ZB 345/16) festgestellt, dass der Auskunftsanspruch auch gegenüber dem Jugendamt geltend gemacht werden kann. Um dem Informationsbedürfnis eines Elternteils Geltung zu verschaffen, treffe die Auskunftspflicht auch Personen, die Kraft des Sorgerechts über die hierzu erforderlichen Informationen verfügen, etwa den Vormund oder das als Ergänzungspfleger bestellte Jugendamt.

Der Auskunftsanspruch erfährt in der Praxis häufig nur geringe Beachtung. Der nicht betreuende Elternteil kann bei konsequenter Umsetzung persönlicher Kontakte ein Auskunftsrecht gegenüber dem anderen Elternteil geltend machen, aber auch gegenüber dem Jugendamt, falls dort bessere und detailliertere Informationen über die Entwicklung des eigenen Kindes vorliegen.

Die Pflicht zur Auskunftserteilung umfasst alle wesentlichen Umstände zur Entwicklung des Kindes wie das schulische Fortkommen, außerschulische Betätigungen, die gesundheitliche Situation sowie die soziale Entwicklung. Maß und Häufigkeit der Auskunft hätten sich an deren Zweck zu orientieren, so der BGH. Daher sei die Übersendung von Zeugniskopien angezeigt, nicht aber detaillierte Angaben zum Tagesablauf oder bis ins Einzelne gehende Erziehungsberichte, ärztliche Unterlagen und Dokumentationen. Auch Informationen zur vermögensrechtlichen Situation können nicht gefordert werden. Die Auskunft kann grundsätzlich einmal verlangt werden, etwa bei der Mitteilung eines Zeugnisses. Im übrigen ist über die Entwicklung in angemessenen Zeitabständen zu unterrichten. Bei Kindern im Vorschul- oder Schulalter genügt in der Regel ein Turnus von drei bis sechs Monaten.

Autor ist Rechtsanwalt Henning Gralle, zugleich Fachanwalt für Familienrecht, Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Oldenburg.

Beleidigende E-Mails gefährden gemeinsames Sorgerecht

Zahlreiche Kinder werden unehelich geboren. Die Beziehung der Kindeseltern scheitert, die Verantwortung für das Kind bleibt. Doch wer trägt die Verantwortung für Fragen der Erziehung, der Schule, der Gesundheit und des Lebensmittelpunktes? Das Gesetz sieht vor, dass die elterliche Sorge für das Kind zunächst allein der Mutter zu steht. Beim Familiengericht können beide Elternteile beantragen, die elterliche Sorge beiden Eltern gemeinsam zu übertragen.

Grundsätzlich kommt das Familiengericht der beantragten gemeinsamen elterlichen Sorge nach, wenn nicht Kindeswohl-Gründe dagegen sprechen. In der Praxis heißt dies: die Kindesmutter muss deutlich machen, dass eine gemeinsame elterliche Sorge mit dem Vater für das Kind nicht vorteilhaft ist. Denn eine gemeinsame Sorge kommt in Betracht, wenn eine tragfähige soziale Beziehung zwischen den Kindeseltern, ein Mindestmaß an Übereinstimmung zwischen ihnen besteht und sie jeweils eine Fähigkeit zum Konsens haben.

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen 3 U F 139/15) die gemeinsame elterliche Sorge abgelehnt. Es ging dabei um einen zehnjährigen Sohn. Der Vater lebte im Ruhrgebiet, die Kindesmutter im Oldenburger Land. Zwischen beiden Haushalten bestand eine Fahrzeit von rund 2 Stunden.

Die Beziehung war von Kommunikationsschwierigkeiten geprägt. Die Eltern konnten persönlich Gespräche nicht mehr führen und stimmten Umgangstermine per E-Mail und SMS ab. Zentrale Fragen der Erziehung wie die Teilnahme Elternsprechtagen oder die Anmeldung zum Musikunterricht wurden unterschiedlich beantwortet. Der Kindesvater beleidigte den neuen Lebensgefährten der Mutter als „Bollerkopp“ sowie „undankbares Stück“. Gegenüber der Mutter erklärte der Vater: „Du bist ein dreckiges Stück Scheiße…“

Das Familiengericht in Hamm hat, nach Einholung eines Gutachtens, die gemeinsame elterliche Sorge abgelehnt. Beiden Elternteilen fehle die Fähigkeit zur Selbstreflexion. Sie könnten nicht aufeinander zugehen. Die Entscheidung über die gemeinsame elterliche Sorge sei eine Prognoseentscheidung, aufgrund der Gesamtsituation sei jedoch davon auszugehen, dass gemeinsame Entscheidungen im Sinne des Kindes ausscheiden. Im Ergebnis verbleibt es bei der Alleinsorge der Kindesmutter.

Für die gemeinsame Ausübung der elterlichen Sorge sollten beide Elternteile persönliche Anfeindungen vermeiden. Schwierigkeiten aus der nicht verarbeiteten Trennung sollten nicht indirekt auf dem „Rücken des Kindes“ ausgetragen werden. Gegebenenfalls, so auch das OLG Hamm, müssten beide Elternteile professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.

Dass der Vater Umgangskontakte wahrnimmt, hat für die Frage der elterlichen Verantwortung keine Bedeutung.

Autor des Beitrages: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle-Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Oldenburg

 

Türkei-Urlaub? Beide Eltern müssen zustimmen

Die angespannte politische Lage in der Türkei macht auch vor Urlaubsreisen dorthin nicht halt. Im Gegensatz zu der bisherigen Praxis hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt vor drei Wochen einer Kindesmutter untersagt, mit deren achtjährigem Sohn einen Badeurlaub in Antalya zu unternehmen. Der ebenfalls sorgeberechtigte geschiedene Ehemann verweigerte die Zustimmung zu dem 14-tägigen Badeurlaub vor dem Hintergrund der dortigen politischen Entwicklung und einer eventuellen Terrorgefahr. Dies sei für seinen Sohn zu gefährlich.

Die Kindesmutter ist mit einem einstweiligen Anordnungsverfahren in zwei Instanzen gescheitert. Die Mutter war der Auffassung, dass es keine Sicherheitswarnung des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik gebe. Daran habe sich auch durch den Putschversuch in der Türkei nichts geändert Die geplante Urlaubsreise stelle, so die Familiengerichte, angesichts der im Raum stehenden Möglichkeit von terroristischen Anschlägen keine alltägliche Angelegenheit da, sondern eine Frage von erheblicher Bedeutung.

Das OLG Frankfurt (Aktenzeichen 5 UF 206/16) ist der Ansicht, dass der Nichtantritt des Urlaubs für das Kindeswohl weniger einschneidend sei als die möglichen Folgen, die eine Durchführung der Urlaubsreise haben könne. Die fehlende Zustimmung des Kindesvaters sei nicht als Schikane anzusehen.

Die Sorgen des Vaters um das Wohl seines Sohnes bei einem Urlaub in der Türkei seien nicht von vornherein unbegründet. Die Regierung in Ankara habe zwischenzeitlich den Ausnahmezustand ausgerufen. Die infolge des Putschversuches erfolgten Massenverhaftungen hätten von für eine Vielzahl von Betroffenen in der Türkei existenzielle Bedeutung. Bei dieser Sachlage bestehe, so das OLG, eine konkrete Gefahr, dass es in der Türkei zu Unruhen kommen könne, die auch Auswirkungen auf die Urlaubsregionen wie Antalya haben könne.

Von daher hat das Familiengericht der Kindesmutter untersagt, ohne Zustimmung des Vaters mit dem Sohn den Urlaub anzutreten.

 

Autor des Beitrages: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle-Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Oldenburg

Türkei-Urlaub NWZ