Der Kindeswille allein ist nicht entscheidend

Elterliche Sorge: Objektive Kriterien relevant

Die Eltern streiten über die Alleinsorge für ihre 13-jährige Tochter. Die Mutter hatte beim Familiengericht beantragt, dass künftig die elterliche Sorge allein von ihr wahrgenommen werden sollte, weil sich die Tochter ausdrücklich dafür ausgesprochen hatte.

Zu den Fragen der Kooperationsbereitschaft der Eltern sowie zu Fragen von Streitigkeiten zu Angelegenheiten der elterlichen Sorge hat die Kindesmutter nichts vorgetragen. Es war auch nicht ersichtlich, dass zwischen den Eltern Streit bestand. Der elterliche Streit konzentrierte sich vielmehr darauf, was für die Haltung der Tochter mit Blick auf ihre derzeitige Weigerung zur Wahrnehmung von Umgangskontakten mit dem Vater ursächlich sei.

Das Oberlandesgericht Köln hat wie schon das Amtsgericht Jülich in der Vorinstanz aktuell entschieden (Aktenzeichen 10 UF 18/19), dass der Kindeswille nur dann als Argument zur Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge herangezogen werden könne, wenn dies auch durch objektive Kindeswohlgründe unterstützt werde. Der Begriff des Kindeswohls ist dabei auszulegen und durch Kriterien wie dem Forderungsprinzip, dem Kontinuitätsgrundsatz und auch der Hauptbezugsperson  näher zu präzisieren ist. Diese Faktoren sind jeweils auf den Einzelfall bezogen zu prüfen und stehen  gleichwertig nebeneinander, wobei durchaus eines dieser Kriterien letztendlich relevant für eine abschließende Entscheidung sein kann, wenn die Eltern zu keinem der sonstigen Aspekte wesentlich differenzieren.

Das OLG Köln hat deutlich gemacht, dass dem Kindeswillen erhebliche Bedeutung beigemessen wird, daher Ausdruck einer eigenen Entscheidung des Kindes als Grundrechtsträger ist und seine Willensäußerung als Ausübung des Rechts auf Selbstbestimmung gesehen wird, zumal die Tochter vorliegend schon 13 Jahre alt ist. Allerdings ist der geäußerte Wille der Tochter auch darauf zu prüfen, ob der Ausdruck einer eigenen Meinung ist oder Ergebnis elterlicher Manipulation. 

Es bleibt also dabei: allein die Erklärung, das Kind wünschte sich nichts anderes als dass ein Elternteil künftig die Alleinsorge ausüben solle, da das Kind ohnehin vor und nach jedem Kontakt mit dem anderen Elternteil weine und Verhaltensauffälligkeiten zeige, reicht nicht aus, an dem durch die Verfassung besonders geschützten Elternrecht der gemeinsamen Ausübung der Sorge abzuweichen. Erst wenn eine Kommunikation und Kooperation der Eltern in wesentlichen Bereichen nicht mehr gelingt und nachhaltig gestört ist kommt gegebenenfalls eine Aufhebung der gesamten Sorge oder aber von Teilbereichen der Sorge in Betracht.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle, Oldenburg, zugleich Fachanwalt für Familienrecht, www.fachanwalt-gralle.de