Sittenwidriger Darlehnsvertrag nicht nur bei Eheleuten
In guten Zeiten macht man sich oft wenig Gedanken über die Folgen einer Unterschrift. Tritt dann ein Haftungsszenario ein, kann dies existenzbedrohend werden. Das Oberlandesgericht Oldenburg entschied nun zugunsten einer Frau, die den Kredit ihres ehemaligen Partners bedienen sollte. Denn der kleine Gefallen entpuppte sich als große Belastung.
Konnte eine Bank erkennen, dass die mitunterzeichnende Partei eines Darlehensvertrags im Haftungsfall finanziell krass überfordert sein würde, kann jener Darlehensvertrag sittenwidrig sein. So liegen die Dinge jedenfalls in dem Fall einer jungen Frau, über den das OLG zu entscheiden hatte (Urt. v. 29.06.2023, Az. 8 U 172/22).
Darlehensrate von 1065 Euro bei 1300 Euro Einkommen
Die 20-Jährige verdiente als Verkäuferin in einer Bäckerei monatlich ca. 1300 Euro netto. Sie unterschrieb im Frühjahr 2018 neben ihrem Freund einen Darlehensvertrag über knapp 90.000 Euro mit einer monatlichen Rate von 1065 Euro. Der Freund wollte mit dem Geld alte Kredite umschichten und sich ein Auto kaufen.
Zwei Jahre später kündigte die Bank den Kreditvertrag, weil der Freund die Raten nicht mehr bedient hatte. Sie stellte die Restforderung von 58.000 Euro fällig. Weil die Bank von dem inzwischen getrennt lebenden Partner der jungen Frau das Geld nicht erhielt, verklagte die Bank die Frau mit Erfolg vor dem Landgericht Osnabrück. In der Zweiten Instanz war die junge Frau erfolgreich, denn sie schloss den Vertrag nur ihrem Ex-Partner zuliebe. Die Bank habe die Frau in sittlich anstößiger Weise zur Mithaftung bezüglich der Rückzahlung des Darlehens ausgenutzt. Die Bank habe erkennen können, dass die Frau bei deren Nettoeinkommen monatlich finanziell krass überfordert sei, ein Darlehen in Höhe von gut 1000 € monatlich zu zahlen. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Darlehen hatte die junge Frau nicht, dies hätte die Bank auch erkennen können und müssen.
OLG: Bank wusste, dass es im Haftungsfall existenzbedrohlich werden würde
Die Bank als Geldgeber habe also die Tatsache erkannt, dass die Haftung die Frau finanziell ruinieren könne. Es widerspreche dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden, wenn Banken dann eine solche Situation ausnutzten. Der Vertrag ist daher sittenwidrig und nichtig mit dem Ergebnis, dass die Frau die Darlehensraten nicht zahlen muss.
Diese Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit aufgrund emotionaler Verbundenheit schützt grundsätzlich auch Ehegatten und Verlobte, Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft und Eltern, gleichgestellt sind Kinder, dagegen nicht erwachsene Geschwister.