Unterhaltspflichten und ein weiteres Kind

140px-NWZ-LogoPatchwork-Familien gehören zum Familienalltag. In der neuen Beziehung leben Kinder aus früheren Beziehungen, es bestehen gegenseitige Unterhaltspflichten. Dass die Berechnungen von Unterhalt für Kinder und Ehepartner durch die Formen der Patchworkfamilie schwieriger werden macht folgendes Beispiel aus dem Brandenburgischen deutlich.

Anfang 2013 hat sich die Mutter verpflichtet, für ihre beiden Kinder Unterhalt in Höhe von jeweils 205 EURO zu zahlen. Die Kinder leben beim Vater. Im Juli 2013 wird die Frau erneut von einem anderen Mann schwanger. Vor der Schwangerschaft war die Frau berufstätig und erzielte 1700 EURO netto, der neue Lebensgefährte  verdiente 1500 EURO und damit weniger als die Mutter.

Die Frau war der Auffassung, sie müsse für die beiden ersten Kinder keinen Unterhalt mehr zahlen, da sie nach der Geburt ihres dritten Kindes nur noch Elterngeld in Höhe von rund 1000 EURO verdiene und bei Berücksichtigung von Krankenversicherungsleistungen (über 200 EURO) nicht mehr leistungsfähig sei. Der Eigenbedarf (Selbstbehalt) in Höhe von 800 EURO bei Personen, die nicht erwerbstätig seien, sei unterschritten. Für Miete, Nebenkosten, Kleidung und Nahrungsmittel seien die 1000 EURO gerade ausreichend, für ihre beiden Kinder könne sie daher keinen Unterhalt zahlen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg (Aktenzeichen 3 WF 101/13) hat in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung betont, dass die Frau trotz des dritten und erst wenige Monate alten Kindes unterhaltsrechtlich verpflichtet sei, für die beiden älteren Kinder, die beim geschiedenen Ehemann und Vater lebten, Unterhalt zu zahlen. Denn die Mutter dürfe nur dann auf eine Berufstätigkeit verzichten, wenn diese Rollenverteilung der neuen Familie einen Vorteil bringe. Dies sei jedoch bei den Verdienstmöglichkeiten der Frau und dessen neuem Lebensgefährten nicht der Fall. In dieser Einkommenssituation sei es unter Berücksichtigung der Interessen der beiden älteren Kinder angebracht, dass die Mutter arbeite und der neue Lebensgefährte (der weniger verdient) sich um sein Kind kümmere. Es ist also zu fragen, wie sich die Rollenaufteilung zwischen Mann und Frau in der neuen Beziehung (dies gilt sowohl in der Ehe als auch in der nichtehelichen Lebensgemeinschaft) darstellt und ob der Unterhaltspflichtige eine Erwerbstätigkeit aufgeben oder herabsenken darf, weil weitere Kinder betreut werden müssen.

Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle – Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Alexanderstraße 111, Oldenburg. Tel. 0441/96 94 81 40 oder gralle@fachanwaelte-ol.de.

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