Arbeitspflicht nach der Trennung: sechs Monate Übergangszeit
Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Ehe sind geprägt durch die Einkommen des Ehemannes und der Ehefrau. Häufig ist die Konstellation so, dass nur ein Ehepartner arbeitet, der andere kümmert sich um den Haushalt. Nach der Trennung hat der nicht erwerbstätige Ehegatte bzw. der Ehegatte, der nur Teilzeit arbeitet, eine Orientierungsphase, in der er sich um sein finanzielles Auskommen selbst kümmern muss. Denn jeder ist verpflichtet, für seinen Unterhalt selbst zu sorgen, indem er Vollzeit arbeitet.
Die Orientierungsphase nach der Trennung vom Ehepartner beträgt in der Regel ein Jahr. Das Oberlandesgericht Koblenz (Aktenzeichen 7 WF 120/16) hat in einer aktuellen Entscheidung beschlossen, dass bereits vor Ablauf des Trennungsjahres von zwölf Monaten eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen bzw. eine bereits ausgeübte Erwerbstätigkeit auf eine Vollzeittätigkeit heraufzusetzen sei.
Die Ehefrau trennte sich von ihrem Mann im April 2015 und war der Auffassung, dass sie zumindest bis März 2016 nicht arbeiten müsse, da dies auch während der intakten Ehe bereits so gewesen sei. Der Ehefrau war zuzumuten, ihre nur wenige Monate ausgeübte Erwerbstätigkeit als Diplom-Betriebswirtin bei einer Steuerberaterfirma fortzusetzen und auszuweiten. Diese Stelle hatte die Ehefrau allerdings mit Ablauf der Probezeit verloren. Die weiteren Bemühungen von drei Bewerbungen in acht Monaten waren nach Auffassung der Familienrichter in Koblenz völlig unzureichend, für den eigenen Unterhalt selbst zu sorgen. Es sei vorliegend anzunehmen, dass die Ehefrau innerhalb von sechs Monaten hätte eine Arbeit finden können. Unterhaltsansprüche nach Ablauf der sechsmonatigen Trennungszeit stehen der Ehefrau jedenfalls nicht zu.
Es bleibt festzuhalten, dass der Ehepartner, der nur Teilzeit oder gar nicht berufstätig ist, sich nach der Trennung zeitnah und intensiv um eine berufliche Tätigkeit kümmern muss mit dem Ziel, Vollzeit zu arbeiten. Es reicht im Einzelfall nicht immer aus, während der ersten zwölf Monate nach der Trennung nichts zu tun und in dem wirtschaftlichen Zustand aus der Zeit der intakten Ehe zu verharren. Einen Automatismus, zwölf Monate den Status quo der ehelichen Lebensverhältnisse ohne eigene Arbeitsbemühungen genießen zu können, gibt es nicht.
Autor des Beitrages: Rechtsanwalt Henning Gralle, zugleich Fachanwalt für Familienrecht aus der Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Oldenburg