Wechselmodell – Kindeswohl geht Elternwünschen vor
Das so genannte Wechselmodell bei der Betreuung minderjähriger Kinder ist in aller Munde. Es hat zum Inhalt, dass mindestens annähernd eine paritätische Betreuung der Kinder (nahezu jeweils 50 Prozent) durch die nicht zusammenlebenden Eltern erfolgt. Wenn die Eltern eine einvernehmliche Regelung zum Wechselmodell vereinbart haben, so müssen sie sich daran halten. Eine Änderung einer Wechselmodell-Vereinbarung kommt nur in Betracht, wenn triftige Gründe des Kindeswohls dafür sprechen. Auch beim Wechselmodell steht der Gesichtspunkt der Kontinuität im Mittelpunkt. Aus diesem Grunde sollen Betreuungsregelungen bindend und nicht abzuändern sein, nur weil die Eltern dies wünschen.
Zu einem entsprechenden Fall hat das Kammergericht vor wenigen Wochen eine Entscheidung getroffen: es ging dabei um ein drei Jahre altes Mädchen, welches vom ersten Lebensjahr bis jetzt jeweils zur Hälfte von den nicht verheirateten Eltern betreut wurde. Die Kindesmutter war der Auffassung, das Wechselmodell sei nicht störungsfrei praktiziert worden und zwischen den Eltern habe es immer wieder Konflikte gegeben. Aus diesem Grunde müsse das Wechselmodell aufgehoben werden, sie, die Kindesmutter wolle die überwiegende Betreuung übernehmen, für den Vater können Umgangswochenenden vereinbart werden.
Diesen Vorstellungen der Kindesmutter hat das Gericht eine Absage erteilt. Das seit längerem praktizierte Wechselmodell habe dazu geführt, das für die Tochter beide Eltern als zuverlässige Bezugs- und Erziehungsperson präsent seien. Diese Bindungskontinuität gelte es zu erhalten. Beide Elternteile müssten zeitlich gleichrangig zur Verfügung stehen. Beide Eltern seien in gleicher Weise erziehungsfähig und forderungsfähig. Aus diesem Grunde sei nicht ersichtlich, dass das angestrebte Modell der Betreuung überwiegend durch die Kindesmutter dem aktuell praktizierten Wechselmodell zu bevorzugen sei.
Beide Eltern hätten ein ausgesprochen großes Interesse am Kind, und während der Vergangenheit hätten beide Eltern die Betreuung und Versorgung ihrer dreijährigen Tochter durchweg zuverlässig und sehr engagiert sichergestellt. In grundsätzlichen Erziehungsvorstellungen stimmten beide Eltern über ein. Das Gericht stellt fest, dass der Elternstreit das Kind nicht belaste, sondern die Tochter ein zufriedenes Kind sei, welches sicher an beide Eltern gebunden sei. Wichtige Entscheidung für das Kind wie etwa die Wahl des Kindergartens oder die Frage des Kindergeldbezugs hätten beide Eltern ohne größere Differenzen treffen können.
Es ist daher nicht ersichtlich, dass eine neue Regelung der Betreuung durch die Mutter besser sei als die aktuell praktizierte hälftige Betreuung (Wechselmodell) durch die Eltern, die seinerzeit beim Gericht vereinbart wurde.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das Wechselmodell nicht zu dem Zweck angeordnet werden darf, hierdurch erst eine Kommunikationsfähigkeit der Eltern herbeizuführen. Wenn jedoch ein Wechselmodell praktiziert wird, sprechen bloße Defizite in der Kommunikationsfähigkeit der Eltern nicht dafür, dieses aufzuheben.
Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle, zugleich Fachanwalt für Familienrecht www.fachanwalt-gralle.de