Masernimpfung dient in der Regel dem Kindeswohl

Impfvorteile überwiegen Impfrisiko

Wer entscheidet, welche altersentsprechende Standardimpfungen durchgeführt werden? Vater oder Mutter?

Nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) des Robert-Koch-Instituts zählen Impfungen gegen Rotaviren, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken, Pneumokokken, Meningokokken, Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten, Polio, Hib und Hepatitis B zu den Standradimpfungen.

Das Familiengericht im hessischen Dieburg hat Anfang Dezember vergangenen Jahres über folgende Problematik entschieden (Aktenzeichen 51 F 308/20 SO): die Eltern eines zweijährigen Sohnes streiten um die Durchführung der Standardschutzimpfungen für ihr Kind. Die Kindeseltern sind nicht verheiratet, üben jedoch aufgrund einer gemeinsamen Sorgeerklärung die elterliche Sorge gemeinsam aus. Die Kindeseltern leben getrennt, der Sohn hat seinen Lebensmittelpunkt bei der Kindesmutter, die  das Kind impfen lassen will, und zwar nach den Empfehlungen der STIKO. Mit drei Jahren soll der Sohn spätestens in den Kindergarten gehen, dort wird er jedoch nur aufgenommen, wenn er eine Masernimpfung vorweisen kann.

Der Kindesvater beantragt die Abweisung des Antrages. Er halte nichts von Impfungen. Es gäbe Studien, dass geimpfte Kinder genauso oder sogar öfter krank würden als nicht geimpfte Kinder. Außerdem gäbe es keine Versicherung für Impfschäden.

Das Familiengericht betont, dass der Nutzen der streitgegenständlichen Impfungen das Impfrisiko überwiege. Die Impfempfehlungen der STIKO sind in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als medizinischer Standard anerkannt worden. Die STIKO hat als sachverständiges Gremium die Aufgabe, Empfehlungen zur Durchführung von Schutzimpfungen und anderen Maßnahmen der spezifischen Prophylaxe übertragbarer Krankheiten zu geben und Kriterien zur Abgrenzung einer üblichen Impfreaktion und einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung zu entwickeln. Zweck des Infektionsschutzes ist es, übertragbaren Krankheiten beim Menschen vorzubeugen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern. Impfungen dienen demnach dem Wohl des Einzelnen im Hinblick auf eine mögliche Erkrankung und in Bezug auf die Gefahr einer Weiterverbreitung dem Gemeinwohl. Auch mit dem letztgenannten Aspekt haben sie einen Bezug zum Schutz des individuellen Kindeswohls, weil das Kind – wenn es etwa noch nicht im impffähigen Alter ist – von der Impfung anderer Menschen, insbesondere anderer Kinder, und der damit gesenkten Infektionsgefahr profitiert.

Die Behauptungen des Kindesvaters alleine vermögen bei dem Gericht keine Zweifel an der Einschätzung der STIKO hervorzurufen.

Dies hat zur Folge, dass das Familiengericht der Kindesmutter die alleinige Befugnis übertragen hat, über Impfmaßnahmen ohne Zustimmung und Mitwirkung des Kindesvaters zu entscheiden.