Erst Kindesunterhalt, dann BAföG
Mutter muss Meister-Bafög stunden, um Kindesunterhalt zu leisten
VON HENNING GRALLE
Unterhaltsforderungen sind nach der Rechtsprechung vor anderen Schulden nicht vorrangig. Auch für Ansprüche minderjähriger Kinder ist der Unterhaltsschuldner grundsätzlich nicht verpflichtet, aufgrund von Unterhaltszahlungen immer tiefer im Schulden zu geraten. Aber: Verbindlichkeiten dürfen nur unter Berücksichtigung der Interessen der Unterhaltsberechtigten getilgt werden.
Dies gilt auch für Rückzahlungen eines Darlehens zur Berufsförderung (BAföG). Die Kindesmutter ist vom Kindesvater geschieden, der 12-jährige Sohn lebt beim Vater und macht Mindestunterhaltsansprüche nach der Düsseldorfer Tabelle gegen die Kindesmutter geltend. Die Mutter ist gelernte Friseurin und geht einer Teilzeitbeschäftigung im Umfang von 32 Stunden wöchentlich nach. Sie erzielt hieraus ein Nettoeinkommen in Höhe von rund 1200 €. Der Selbstbehalt, also der Eigenbetrag des Unterhaltsschuldners für Wohnung, Kleidung Lebensmittel und Freizeitgestaltung, liegt bei 1160 €. Die Kindesmutter musste Schulden zurückführen, darunter unter anderem ein Darlehen für ein Meister-BAföG, dass der Kindesmutter im Rahmen einer Weiterbildung zur Friseurmeisterin gewährt wurde. Die Mutter verlangt, diese Verbindlichkeiten zu berücksichtigen mit dem Ergebnis, dass sie weniger Kindesunterhalt zahlen muss, jedenfalls in Höhe der monatlichen BAföG-Raten in Höhe von knapp 130 €.
Keine Berücksichtigung des BAföG-Darlehens
Das Oberlandesgericht (OLG) Koblenz hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen 7 UF 361/19) beschlossen, dass die BAföG-Raten nicht zu berücksichtigen sind. Der Kindesmutter sei es aufgrund einer Regelung im Berufsausbildungsförderungsgesetz möglich, einen Antrag sowie entsprechende Folgeanträge auf Stundung ihrer Darlehensverpflichtung zu stellen. Hierzu sei sie, so das OLG, aufgrund ihrer gegenüber dem minderjährigen Sohn gesteigerten Unterhaltspflicht verpflichtet gewesen. Dies gelte umso mehr, als die Kindesmutter noch keine ihrer Meisterausbildung entsprechend besser bezahlte Beschäftigung aufgenommen habe. Im Ergebnis wirke sich daher das BAföG Darlehen nicht auf die Leistungsfähigkeit der Kindesmutter aus.
Mindestunterhalt geht vor
Die Diskussion um Berücksichtigung von Schulden betrifft zahlreiche Fälle. Da minderjährige Kinder, wie im vorliegenden Falle, schon wegen ihres Alters und ihrer schulischen Verpflichtung zu ihrem Unterhalt nicht durch eigene Anstrengung beitragen können, führt eine Interessenabwägung in der Regel dazu, dass der unterhaltsverpflichtete Elternteil seinem minderjährigen Kind wenigstens den Mindestunterhalt zu zahlen hat. Diese Zahlbeträge belaufen sich nach der aktuellen Düsseldorfer Tabelle auf 267 € für Kinder im Alter bis zu 5 Jahren, auf 342 € (6 bis 11 Jahre) und auf 395 € (12 bis 17 Jahre).