Gemeinsame elterliche Sorge muss nicht der Grundsatz sein

140px-NWZ-LogoGrundsätzlich soll bei unehelichen Kindern durch die Eltern die Verantwortung für deren Kinder im Rahmen der elterlichen Sorge (Personen-und Vermögenssorge) gemeinsam ausgeübt werden. Bei geschiedenen Eltern ist dieser Grundsatz nicht als Regel anzunehmen. Dem Gesetz ist kein Leitbild gemeinsamer elterlicher Sorge zu entnehmen, hat das Oberlandesgericht (OLG) in Celle am 14. August dieses Jahres (Aktenzeichen 15 UF 44/15) festgestellt.

Die Familienrichter in Celle mussten entscheiden, ob für ein 15-jähriges Mädchen nur die Kindesmutter die Sorge ausüben sollte oder auch der Kindesvater. Zwischen den Eltern fehlte es an der Fähigkeit, ihre Tochter betreffende Fragen zu besprechen und im gegenseitigen Austausch der Argumente eine einvernehmliche Lösung zu finden. Bereits Telefonate zwischen den Eltern eskalierten schnell. Das Streitpotenzial zwischen Mutter und Vater sei als sehr hoch anzusehen.

Das Kind hat unter den Streitigkeiten der Eltern gelitten und würde bei einem Wiederaufflammen weiterhin leiden. Die Tochter, zwischenzeitlich in der 9. Schulklasse, hat erklärt, sie wolle ihren Vater zurzeit nicht sehen und zur Ruhe kommen. Der Vater würde nur Stress machen. Die Eltern würden sich jedes Mal streiten, wenn sie miteinander zu tun hätten. Es werde dann schnell laut und sie würden sich anschreien, so die Tochter. Diese habe damit ihren Willen deutlich geäußert. Das OLG in Celle ist der Auffassung, dass angesichts des Alters der Tochter von inzwischen 15 Jahren deren Wille für die Entscheidung von erheblicher Bedeutung sei. Die Tochter erwarte sich von einer alleinigen Entscheidungsbefugnis durch die Mutter eine persönliche Entlastung, da die Eltern dann keinen Anlass mehr zu Streitigkeiten hätten.

Aus Kindeswohlgründen sei daher die elterliche Sorge allein auf die geschiedene Mutter zu übertragen. Ein Leitbild gemeinsamer elterlicher Sorge spiele bei dieser Beurteilung keine Rolle.

 

Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle – Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Alexanderstraße 111, Oldenburg. Tel. 0441/96 94 81 40 oder gralle@fachanwaelte-ol.de. Weitere Infos: www.fachanwaelte-ol.de

NWZ vom 15.09.15 - Gemeinsame elterliche Sorge muss nicht der Grundsatz sein