Streit um Wohnung-Kindesinteressen haben Vorrang

Vater muss ausziehen –  Mutter und drei Kinder bleiben in kleiner Wohnung

Kommt es anlässlich oder nach einer Trennung zu Gewaltmaßnahmen gegen den anderen Ehegatten, so ist die Zuweisung der Ehewohnung an den verletzten Ehegatten in der Regel vorprogrammiert. Führt allein die Trennung in der Ehewohnung zu Spannungen unter den Eheleuten, so kommt es darauf an, für welchen der beiden Ehegatten es eine Härte bedeutet, weiter die Ehewohnung teilen zu müssen. Eine sogenannte unbillige Härte kann gegeben sein, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist.

Im Hamburger Stadtteil St. Georg bewohnten die verheirateten Eheleute eine zweieinhalb Zimmerwohnung zu einer Größe von knapp 70 m² mit ihren drei gemeinsamen Kindern. Anfang des Jahres kam es zur Trennung der Eheleute, der Kindesvater, berufstätig, sah sich aufgrund der angespannten finanziellen Situation nicht in der Lage, auszuziehen und Miete für eine andere Wohnung zahlen zu müssen. Er hat vorgeschlagen, dass er abends ab 22:00 Uhr in die kleine Wohnung zurückkehre, anschließend die Toilette benutze und dann im Wohnzimmer schlafe.

Das hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Aktenzeichen 12 UF 11/19) hat in einer Entscheidung vom März 2019 diese Regelung im Hinblick auf die beengten Wohnverhältnisse als unrealistisch bezeichnet, um ein konfliktfreies Zusammenleben zu ermöglichen. Abstimmungen der Eheleute über das getrennte Wohnen in der beengten Wohnung wären unausweichlich.

Letztendlich würden die Interessen des Kindesvaters dem Interesse der gemeinsamen Kinder zurückstehen. Die Bedürfnisse der drei Kinder an einer geordneten, ruhigen und möglichst entspannten Familiensituation ohne örtliche Veränderung haben Vorrang vor dem Interesse des Antragsgegners am Verbleib der Ehewohnung. Der Kindesvater wurde verpflichtet, die Wohnung zu verlassen, der Ehefrau und Kindesmutter wurde die Wohnung zur alleinigen Nutzung mit den drei Kindern zugewiesen. Sie leistet die Hauptbetreuungsarbeit für die drei minderjährigen Kinder.

Grundsätzlich sind in eine Gesamtabwägung neben dem Verhältnis der Ehegatten zueinander die Belange des anderen Ehegatten, dingliche Rechtspositionen und die Lebensbedingungen der Eheleute zu berücksichtigen. Bloße Unbequemlichkeiten, Unannehmlichkeiten und Belästigungen, wie sie häufig mit der Trennung von Ehegatten einhergehen, reichen nicht aus, um eine unbillige Härte im Sinne des Gesetzes, die Voraussetzung für eine Wohnungszuweisung ist, zu begründen.

Im Verfahren auf die Zuweisung der Wohnung ist bei minderjährigen Kindern auch das Jugendamt zu beteiligen. Daraus wird deutlich, welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Wohl der Kinder im Rahmen der Wohnungszuweisung zugedacht hat.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle www.fachanwalt-gralle.de

Zwei Witwen – eine Lebensversicherung

Vertragsschluss entscheidet über Bezugsrecht

Zahlreiche Ehegatten sind Inhaber einer Lebensversicherung und haben sich wechselseitig als Berechtigte eingesetzt. Trotz Scheidung verbleibt es bei der jeweiligen Berechtigung  zugunsten des anderen Ehepartners, denn häufig wird vergessen, der Versicherung mitzuteilen, dass mit der Scheidung nicht mehr der geschiedene Ehepartner berechtigt sein soll. 

Im Anschluss an die erste Scheidung heiratet der geschiedene Ehegatte ein zweites Mal und verstirbt. Es stellt sich die Frage, ob der verwitwete Ehegatte berechtigt ist oder der geschiedene Partner, also der erste Ehegatte:

Wer nach einer Scheidung die begünstigte Person in seiner Lebensversicherung ändern will, muss dies schriftlich tun, so der Bundesgerichtshof (BGH)in ständiger Rechtsprechung. 

Zum Fall: die Frau des Verstorbenen hatte gegen die Basler Lebensversicherung geklagt. Sie wehrte sich dagegen, dass das Unternehmen nach dem Tod des Mannes rund 34.500 Euro an die Ex-Frau des Toten ausgezahlt hatte. Die Versicherung war noch vor der ersten Ehe des Mannes abgeschlossen worden. 1997 erklärte der Mann, dass im Falle seines Todes seine verwitwete Ehefrau das Geld bekommen sollte – da war er in erster Ehe verheiratet. 

Als er nach seiner Scheidung wieder heiratete, telefonierte er mit der Versicherung. Er wollte sicher gehen, dass seine neue Frau bei seinem Tod auch das Geld bekommen würde. Mit diesem Argument zog die Witwe bis vor den BGH. 

Die Richter vertraten die Ansicht, dass die Änderungen durch die telefonische Anfrage nicht wirksam vorgenommen wurden. Dies hätte schriftlich erfolgen müssen. Der BGH meint: bei Versicherungen ist derjenige als „verwitweter Ehegatte“ anzusehen, mit dem der (verstorbene) Kunde bei Vertragsschluss oder Einsetzung einer neuen Bezugsberechtigung verheiratet gewesen ist – und das war in diesem Fall die geschiedene erste Ehefrau. 

Auch das Oberlandesgericht Hamm hat nunmehr entschieden (Aktenzeichen 6 U 58/17), dass davon auszugehen ist, dass der Verstorbene die zum Zeitpunkt der Erklärung mit ihm verheiratete Partnerin begünstigen wollte. Es komme allein auf das Verständnis des verstorbenen zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung gegenüber der Versicherung an. Diese konnte und musste davon ausgehen, dass mangels anderer Erklärungen die erste Ehefrau weiterhin berechtigt sein soll. Alles andere hätte der Ehemann schriftlich erklären müssen. Dies sei nicht erfolgt.