Reisevollmacht für den Spanienurlaub

Vater verweigert Zustimmung grundlos

Für kommenden Sommer werden aktuell Urlaubsreisen gebucht. Bei Auslandsreisen ist zu erwarten, dass jedenfalls an Flughäfen auch bei innereuropäischen Reisen von den Grenzbeamten nach einer schriftlichen Reisevollmacht gefragt wird, soweit nicht beide sorgeberechtigten Eltern mit dem Kind verreisen.

Vater verweigert Zustimmung

Vor dieser Problematik stand vorliegend eine Mutter, die über Silvester 2024  mit ihrem sechsjährigen Kind für einige Tage alleine nach Spanien reisen wollte. Der Kindesvater, ebenfalls sorgeberechtigt, war mit dieser Reise nicht einverstanden und verweigerte trotz Einschaltung des Jugendamtes seine Zustimmung. Gründe für die Verweigerung hat er nicht genannt.

Die Kindesmutter hatte vorgetragen, dass in der Vergangenheit an deutschen Flughäfen erfahrungsgemäß bei Reisen mit einem minderjährigen Kind die Grenzbeamten nach einer schriftlichen Bestätigung über die Zustimmung des weiteren Elternteils fragen und eine Vorlage verlangen.

Reiseberechtigung  durch Gerichtsbeschluss

Im Bewusstsein dieser Reiseproblematik beantragte die Kindesmutter den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Ziel, dass das Familiengericht per Beschluss der Kindesmutter gestattet ohne Zustimmung des anderen Elternteils nach Spanien zu verreisen. Das Amtsgericht Schöneberg hat in einer aktuellen Entscheidung vom Dezember vergangenen Jahres (Aktenzeichen 87 F 5169/24) die Auffassung der Mutter bestätigt und betont, dass es gerichtsbekannt sei, dass bei der Ausreise immer wieder auch für Reisen in das europäische Ausland sogenannte Reisevollmachten vorzulegen seien, die vom mitsorgeberechtigten Elternteil zu unterzeichnen sein. Daher, so das Familiengericht, bestünde ein dringendes Regelungsbedürfnis. Der Umgang des Kindesvaters sei nicht betroffen, es seien auch keine Gründe ersichtlich, warum das Kind nicht nach Spanien mit der Mutter verreisen dürfe.

Fazit

Trotz Vorliegens einer sogenannten Alltagsangelegenheit kann vorliegend ein Regelungsbedürfnis, wie hier, bestehen, wenn zu erwarten ist, dass es praktische Probleme bei der Reise gibt. Ohne Reisevollmacht ist zu erwarten, dass eine Ausreise am Flughafen schon gar nicht möglich sein wird und die Urlaubsfreuden für Kind und Mutter nicht realisiert werden können. Hinzu kommt der finanzielle Schaden für nicht in Anspruch genommene Flugreise und Kosten für das Ferienhaus in Spanien. 

ADHS-Behandlung ist von Bedeutung 

Fachärztliche Stellungnahme relevant 

Kinder-und jugendpsychiatrische Behandlungen stellen für ein Kind eine erhebliche Bedeutung im Bereich der Gesundheitssorge dar. Wenn sich die Eltern darüber streiten, in welchem Umfange welche Behandlungen durchzuführen sind, orientieren sich die Gerichte regelmäßig an den Empfehlungen der behandelnden Ärzte. So auch in einem aktuellen Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Karlsruhe, Aktenzeichen 20 UF 85/24.

Dort ging es um die Behandlung eines achtjährigen Sohnes, bei dem eine hyperkinetische Störung des Sozialverhaltens mit ADHS diagnostiziert wurde. Die Fachärztin hatte eine Behandlung mit dem Medikament Methylphenidat empfohlen, der Kindesvater zeigte sich ablehnend gegenüber den Empfehlungen der behandelnden Fachärztin, die Kindesmutter wollte der ärztlichen Empfehlung folgen.

Fachärztin lehnt Behandlung ab

Die behandelnde Fachärztin hatte die Weiterbehandlung des Kindes abgelehnt, weil unter Berücksichtigung des Elternkonflikts eine sachgerechte Entscheidung nicht möglich sei.

Das OLG hat die Entscheidung der Vorinstanz vorliegend bestätigt und deutlich gemacht:

a) Bei der hier relevanten Kinder-und jugendpsychiatrischen Behandlung handele es sich nicht nur um eine Angelegenheit des täglichen Lebens. Vielmehr geht es um eine Angelegenheit von erheblicher Bedeutung im Bereich der Gesundheitsfürsorge für das Kind. Die Behandlung könne positive, aber auch schwer abzuändernde Auswirkungen auf dessen Entwicklung haben. Sowohl zu Beginn als auch im Rahmen der laufenden Fortführung seien Chancen sowie Risiken und mögliche Nebenwirkungen gegeneinander abzuwägen.

Medizinische Einschätzung relevant  

b) In einem zweiten Schritt hat das Gericht dann der Kindesmutter den entsprechenden  Teilbereich der Personensorge übertragen. Das Kind habe seinen Lebensmittelpunkt bei der Mutter und diese sei daher diejenige, die mit dem Verhalten des Kindes täglich konfrontiert werde. Eine kontinuierliche Rückmeldung zu den Fachärzten sei gegeben. Im übrigen seien die Kritikpunkte des Vaters am Verhalten der Mutter und der Einschätzung der behandelnden Ärzte nicht stichhaltig.

Im Ergebnis sei daher die Kindesmutter am ehesten geeignet, eine am Wohle des 8-jährigen Sohnes orientierte Sachentscheidung zu treffen. Das Gericht hat der Kindesmutter daher das Recht übertragen, die Behandlung des Kindes allein zu regeln und auszuüben. Das Gericht selbst darf keine unmittelbare Entscheidung in der Sache treffen, da dies einen unverhältnismäßigen Eingriff in das Elternrecht darstellen würde.

Kontinuität und Stabilität der Lebensverhältnisse entscheidend

4-jähriger Junge wechselt zum Vater

Die Eltern sind gemeinsam sorgeberechtigt, waren jedoch nicht verheiratet. Aus der Beziehung ist ein 4-jähriger Sohn hervorgegangen. Die Beziehung ist seit über 3 Jahren beendet, der Sohn lebt seitdem im Haushalt der Mutter und deren Großeltern. Der Sohn besuchte bisher weder eine Krippe noch ein Kindergarten und versteht und spricht die deutsche Sprache kaum. Beide Eltern arbeiten Vollzeit, der Kindesvater lebt in einer anderen Stadt.

Verwurzelung in der Region

Die Kindesmutter wollte im Herbst vergangenen Jahres den bisherigen Wohnort verlassen und mit dem Sohn zu ihrem neuen Freund ziehen. Der Vater war hiermit nicht einverstanden und der Auffassung, er habe zu seinem Sohn eine gute Bindung aufgrund regelmäßiger Umgangskontakte. Der Sohn sei in der Region fest verwurzelt und habe auch einen guten Kontakt zu der Großmutter.

Anfang August 2024 hat das Oberlandesgericht Frankfurt (Aktenzeichen 6 UF 117/24) entschieden, dass das Recht, über den Lebensmittelpunkt zu entscheiden (Aufenthaltsbestimmungsrecht), dem Kindesvater zu übertragen ist. Denn es entspreche dem Kindeswohl am besten, wenn der Sohn im Haushalt des Vaters aufwächst, da dort Kontinuität und Stabilität der kindlichen Lebensverhältnisse am besten gegeben sei. Der Haushalt des Vaters sei dem Sohn bekannt, er, der Sohn, würde sich offensichtlich in der Umgebung des Vaters wohlfühlen. Der Vater strebe den Besuch des Kindergartens für den Sohn an.

Nicht ausschlaggebend sei, dass die Kindesmutter während der vergangenen Jahre alle Arzttermine mit dem Sohn wahrgenommen habe.

Sprachdefizite und unsichere Zukunft

Obwohl die Mutter Hauptbezugsperson für das Kind sei, stelle der Wechsel in eine unbekannte Wohnung und Stadt zu einem erst seit kurzer Zeit bekannt neuen Freund der Kindesmutter Unwägbarkeiten dar, deren Entwicklung nicht konkret abgeschätzt werden könnten. Im Übrigen habe es die Kindesmutter in der Vergangenheit versäumt, ausreichend soziale Kontakte für den Sohn herzustellen. Das Oberlandesgericht und das Amtsgericht heben hervor, dass eine Unterhaltung mit dem Kind mangels Sprachkenntnissen nicht möglich war. Die Kindesmutter habe offensichtlich Spracherwerb und den Erwerb sozialer Kontakte vernachlässigt. Auch hier bietet der Kindesvater eine bessere Perspektive für den 4-jährigen.

Im Ergebnis sei es daher für das Wohl des Sohnes am besten, in der gewohnten Umgebung zu verbleiben, zumal es zur Kindesmutter und deren neuen Freund großzügige Umgangskontakte geben werde.

Verwandtenpflege für Großkind

Großmutter versorgt dreijährige Enkeltochter

Das Leben eines 3-jährigen Kindes kann mit Lebensumständen verbunden sein, die sich das Kind nicht wünscht. Die eigene Mutter leidet unter einer psychischen Störung und muss sich in Therapie begeben, der Kindesvater lebt schon gar nicht vor Ort und kümmert sich nicht um das Kind. Nachdem im elterlichen Haushalt wegen Zahlungsverzuges der Strom abgestellt wurde, wechselte das Kind zur Großmutter väterlicherseits. Die Großmutter bewohnt eine eigene Wohnung, dort leben auch drei eigene Söhne.

Das zuständige Jugendamt lehnte ein Verbleib bei der Großmutter ab mit dem Argument, dass im Falle des Verbleibs des Kindes im Haushalt der Großmutter infolge der massiven Konflikte zwischen Kindesmutter und Großmutter eine Gefährdung der kindlichen Entwicklung bestehe, die durch eine ambulante Familienhilfe mit Schutz- und Kontrollauftrag nicht abzuwenden sei. Aus fachlicher Sicht liege ein dysfunktionales Familiensystem vor, in dem ein Rollenkonflikt zwischen Kindesmutter und Großmutter massiven Raum einnehme. 

Trennung von Familiensystem?

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat in einer aktuellen Entscheidung vom 27. Mai 2024 (Aktenzeichen 6 UF 86/24) festgestellt: Das körperliche, geistige und seelische Wohl des betroffenen Kindes ist vorliegend bei einer Betreuung und Versorgung durch die Eltern konkret gefährdet. Die Art und Weise der Gefährdung macht eine Trennung des Kindes von den Eltern erforderlich, weil der Gefahr nicht durch andere öffentliche Hilfen begegnet werden kann. 

Großmutter kann Versorgung sicherstellen

Der Entzug des Sorgerechts für das Kind ist nicht gerechtfertigt, weil die Gefahr durch die von den Eltern unterstützte Unterbringung des Kindes im Haushalt der Großmutter väterlicherseits abgewendet werden kann. Denn wenn die Eltern mit der Unterbringung des Kindes bei seiner Großmutter einverstanden sind und das Kind dort nicht gefährdet ist, ist die Unterbringung des Kindes bei seiner Großmutter grundsätzlich besser geeignet. Eine spätere Wiederherstellung der elterlichen Familie, die stets vorrangiges Ziel der zum Schutz der Kinder zu ergreifenden Maßnahmen sein muss, ist dann besser vorzubereiten als die Unterbringung bei einer Bereitschaftspflegefamilie ohne ausreichenden Kontakt zu den Eltern und der Großmutter.

Sorgerechts-Entzug bei fehlender Hilfe

Eigene Tochter mit Zuckererkrankung alleingelassen

Zu einer guten Erziehung zählt auch die Unterstützung des eigenen Kindes im Falle dauerhafter Erkrankungen. Wenn es den Eltern nicht gelingt, ausreichend Unterstützung zu geben, droht der Entzug der elterlichen Sorge für den Bereich Gesundheit, wie nachfolgender Fall zeigt:

Die seit dem achten Lebensjahr an Zucker (Diabetes mellitus Typ 1) erkrankte inzwischen 12-jährige Tochter musste wegen medizinischer Fehlversorgungen im väterlichen Haushalt mehrfach mit lebensgefährlich erhöhten Werten versorgt werden. Sogar eine Krankenhaus-Behandlung war erforderlich. 

Krankenhaus-Aufenthalt

Das Oberlandesgericht Köln hat in einer aktuellen Entscheidung (Aktenzeichen 14 UF 180/22) festgestellt, dass eine Kindeswohlgefährdung vorliege. Die elterliche Sorge wurde dem Kindesvater entzogen, bei dem die Tochter überwiegend lebt. Der Kindesvater war während der Arbeitszeit in der Regel mindestens 11 Stunden täglich berufsbedingt abwesend. Die Tochter erhielt vom Vater keine Unterstützung bei dem täglichen Diabetesmanagement. Einen Aufenthalt des Kindes in einer psychosomatischen Klinik, von der Diabetologin dringend empfohlen, hat der Kindesvater abgelehnt. Bei der regelmäßigen Einnahme von Medikamenten sowie bei der Organisation von Rezepten und Hilfsmitteln bedürfe es trotz der Erfahrung des Kindes einer elterlichen Hilfestellung. Diese seien nicht erkennbar, auch nicht bei der Mutter.

Das Oberlandesgericht hat darauf hingewiesen, dass die Entziehung der elterlichen Sorge sowie die Übertragung von Maßnahmen zu Gesundheitsfürsorge auf einen Ergänzungspfleger sachgerecht sei. Der Ergänzungspfleger könne Krankenhaustermine vereinbaren, sich um Rezepte und Hilfsmittel kümmern und mit dem Kind auf die Blutwerte und sonstigen Probleme, insbesondere im Bereich der Kontrolle bei sportlichen Aktivitäten des Kindes, besprechen. 

Jedenfalls sei die Unterstützung durch einen Ergänzungspfleger in Anbetracht der Verfehlung des Kindesvaters während der vergangenen Jahre eine sachgerechte präventive Maßnahme, um weiteren Krankenhausaufenthalten aufgrund fehlerhafter Insulinbehandlung zu begegnen. Der Kindesvater habe in der Vergangenheit nicht aktiv an der Erhaltung der Gesundheit seiner Tochter mitgewirkt.

Kein aktives Mitwirken

In Anbetracht der konkret drohenden Gefährdung des Kindeswohls sei ein Entzug der elterlichen Sorge für den Teilbereich der Gesundheitsfürsorge sachgerecht. Wegen der darüber hinausgehenden Bereiche der elterlichen Sorge verbleibt es bei der Verantwortung der Eltern, zum Beispiel für Schulangelegenheiten, religiöse Fragen oder finanzielle Angelegenheiten.

Kein Sorgerechtsentzug bei versäumten U-Untersuchungen

Gesundheitsfürsorge bleibt bei Mutter 

Damit Kinder gesund aufwachsen sowie Krankheiten früh erkannt und behandelt werden können, bieten Krankenversicherungen die Untersuchungen zur Früherkennung (sogenannte U1- bis U9-Untersuchungen) in den ersten sechs Lebensjahren des Kindes an.

In einen aktuellen Fall aus Hessen hatte eine allein sorgeberechtigte Mutter diese Untersuchungen für ihre beiden Kinder versäumt. Das Familiengericht erster Instanz hatte der Kindesmutter daraufhin die Gesundheitsfürsorge entzogen und dem Jugendamt übertragen. Dies erfolgte jedoch zu Unrecht, wie nunmehr das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt in einer Entscheidung vom Mai feststellt (Aktenzeichen 4 UF 19/23).

Untersuchungen versäumt

Denn das Kinderschutzgesetz in Hessen verzichte auf eine zwangsweise Durchsetzung der Teilnahme an diesen Untersuchungen und begründe die lediglich den Auftrag an das zuständige Jugendamt, zu ergründen, ob möglicherweise Gefahren für das Kind aufgrund der fehlenden Untersuchungen möglich seien.

Das OLG sieht keine Kindeswohlgefährdung allein durch das Versäumen der Untersuchung. Erst wenn feststellbar sei, dass der Gesundheitszustand der Kinder auffällig sei, könnten weitere Prüfungsmaßnahmen in Betracht kommen. Im laufenden Verfahren konnte auch das Gericht keine Hinweise auf familiäre oder erzieherische Defizite feststellen. Familienrechtliche Maßnahmen schieden daher nach Auffassung des OLG aus.

Kein Eingreifen des Familiengerichts

Auch in Niedersachsen hat das Gesetz zur Früherkennungsuntersuchung zum Ziel, die Gesundheit von Kindern zu fördern und den Kinderschutz zu verbessern. Hierzu gibt es ein verbindliches Einladungs- und Meldewesen, seit 2010 werden die Eltern von in Niedersachsen lebenden Kindern zu den Untersuchungen U5 bis U8 eingeladen. Ein Zwang zur Teilnahme besteht jedoch nicht. Das örtliche Jugendamt wird dann über ausbleibende Untersuchungen informiert und entscheidet selbstständig, ob Maßnahmen zu ergreifen sind.

Ergebnis

Das Jugendamt prüft in eigener Verantwortung, ob es das Familiengericht bei ausbleibenden Untersuchungen informiert. Diese Entscheidung des Jugendamtes unterliegt allein dem fachlichen Ermessen der dortigen Mitarbeiter und ist einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht zugänglich. Erst mit Anrufung des Familiengerichts hat dieses gegebenenfalls Kindeswohl-Maßnahmen zu ergreifen.

Jugendamt muss Gericht einschalten

Keine Inobhutnahme ohne Familiengericht

Kommt das Jugendamt während eines laufenden sorgerechtlichen Verfahrens zu dem Schluss, dass das Kind aus dem Elternhaushalt herausgenommen werden sollte, muss es eine entsprechende familien­gerichtliche Entscheidung herbeiführen. An diese Entscheidung ist das Jugendamt gebunden und kann insbesondere nicht eigenmächtig das Kind in Obhut nehmen. Dies hat das Verwaltungsgericht Hannover in einer aktuellen Entscheidung vom 13. Februar 2023 (Aktenzeichen 3 B 446/23) entschieden.

In dem zugrunde liegenden Fall hatte das Gericht darüber zu befinden, ob die Inobhutnahme von zwei minderjährigen Kindern durch das Jugendamt während eines laufenden sorgerechtlichen Verfahrens zulässig war. Das Jugendamt befürchtete, dass der Kindesvater, wie bereits früher geschehen, mit den Kindern untertauchen werde. 

Familiengericht entscheidet

Solange eine einvernehmliche Regelung zwischen sorgeberechtigten Eltern auf der einen Seite und dem Jugendamt auf der anderen Seite nach den Regelungen des Sozialgesetzbuches VIII nicht möglich ist, muss das Familiengericht sofort angerufen werden. Dies galt vorliegend auch deswegen, weil erkennbar war, dass der Kindesvater mit einer freiwilligen Herausgabe der Kinder nicht einverstanden war, auch eine vorübergehende Fremdunterbringung entsprach nicht dem Willen des sorgeberechtigten Vaters.

Unzulässigkeit der Inobhutnahme

Das Verwaltungsgericht Hannover hat Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Inobhutnahme. Nach Auffassung des Gerichts hätte das Jugendamt eine familiengerichtliche Entscheidung zum weiteren Aufenthalt der Kinder herbeiführen müssen. Die Entscheidung, wie immer diese ausgefallen wäre, hätte das Jugendamt hinnehmen müssen und wäre nicht berechtigt gewesen, eine aus seiner Sicht fachlich falsche Entscheidung des Familiengerichts mittels einer unmittelbar anschließenden Inobhutnahme zu überspielen. In Anbetracht der Situation hätte das Jugendamt zwingend das Familiengericht anrufen müssen und erst nach gerichtlicher Entscheidung die Kinder in Obhut nehmen dürfen.

Zweijähriges Kind ist vor Raketen zu schützen

Der Ukraine-Krieg wirkt sich auch auf das Familienrecht in Deutschland aus, wie folgender Fall zeigt:

Die gemeinsam sorgeberechtigten Eltern einer 2-jährigen Tochter lebten bis zum März 2022 gemeinsam in Odessa im Süden der Ukraine. Nach Ausbruch des Krieges floh die Mutter mit der Tochter nach Deutschland. Der Vater war mit dem Wechsel des Aufenthaltsortes nach Stuttgart nicht einverstanden und begehrte die Rückführung des Kindes in die Ukraine, da die Mutter durch die Ausreise ohne seine Zustimmung das Mitsorgerecht verletzt habe. Die Mutter meint, dass es zu gefährlich sei, mit der Tochter in ein Kriegsgebiet zurückzukehren.

Widerrechtliches Verbringen nach Deutschland

Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Aktenzeichen 17 UF 186/22) hat in einer aktuellen Entscheidung der Kindesmutter recht gegeben und den Rückführungs-Antrag des Vaters zurückgewiesen.

Das OLG stellt zunächst fest, dass die Flucht aus der Ukraine nach Deutschland mit der Tochter gegen den Willen des Vaters ein widerrechtliches Verbringen des Kindes darstellt. Vorliegend sei jedoch nachgewiesen, dass eine Rückführung des Kindes in die Ukraine mit einer schwerwiegenden Gefahr des körperlichen und seelischen Schadens verbunden wäre.

Die aktuelle Kriegssituation, der Beschuss auch der Westukraine, in die der Vater mit seiner Tochter verziehen will, durch russische Raketen sowie die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die Ukraine seien ausreichende Gründe, dass Kind nicht in ein Kriegsgebiet zurückführen zu lassen. Raketenangriffe, so dass OLG, seien in der Westukraine in Zukunft jederzeit möglich und auch wahrscheinlich.

Schutz des Lebens steht über Elternrecht

Die Umstände in der Ukraine gefährden das höchste Rechtsgut des Kindes, nämlich dessen Leben. Angesichts der Kriegshandlungen ist nicht nur mit einer Verängstigung des noch nicht 2 Jahre alten Kindes zu rechnen, sondern auch mit einer unzureichenden ärztlichen Versorgung.

Das OLG hat die vom Vater darüber hinaus beantragte Rückführung in die Republik Moldawien ebenfalls abgewiesen, da das Gesetz keine Rückführung in ein anderes Land als das des gewöhnlichen Aufenthalts des Kindes zulasse. Dies sei vorliegend ausschließlich die Ukraine als bisheriger Wohnsitz des Kindes.

Keine Gefährdung des Kindeswohl bei Förderdefizit

14-jähriges Mädchen bleibt bei Mutter

Die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil eines schwer behinderten Kindes zukünftig ausfällt, stellt keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar.

Tochter mit früh- kindlichem Autismus

Die vorbeugende Fremdunterbringung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass rechtfertigt nicht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge.

Zum Fall: Das Familiengericht der 1. Instanz hatte der alleinsorgeberechtigten Mutter Teile der elterlichen Sorge entzogen, um eine Unterbringung ihres 14-jährigen Kindes zu erreichen. Das Kind leidet unter frühkindlichem Autismus und hat einen sehr hohen Betreuungs- und Förderbedarf. Die Mutter werde langfristig nicht in der Lage sein, die Betreuung und Versorgung ohne Gefahr für das Wohl des Kindes sicherzustellen, so das Familiengericht. Die Mutter könne künftig nicht ausreichend auf das Kind einwirken.

Optimale Förderung nicht erzwingen

Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig (Aktenzeichen 2 UF 222/22) sah dies anders und hat in einer aktuellen Entscheidung vom Dezember 2022 beschlossen, dass die elterliche Sorge bei der Mutter verbleibt. Die Möglichkeit, dass ein allein betreuender Elternteil eines schwer behinderten Kindes zukünftig ausfalle, stelle keine gegenwärtige Kindeswohlgefährdung dar. Die vorbeugende Fremdunterbringung zum Zwecke einer frühzeitigen Eingewöhnung in einer Einrichtung ohne konkreten Anlass rechtfertige nicht den Entzug des Aufenthaltsbestimmungsrechts und der Gesundheitsfürsorge. Auch der Vorwurf, dass das Kind nicht die bestmögliche Förderung erhalte, begründe keine Gefährdung des Kindeswohls.

Mutter und Schule als Förderer

Sowohl die Mutter als auch die umfassende Betreuung des Kindes in der Schule stellten sicher, dass die unverzichtbaren Bedürfnisse des Kindes gewährleistet würden. Eingriffe in das Sorgerecht, um eine optimale Förderung zu erzwingen, sind hingegen vom Kinderschutzrecht nicht erfasst. Das OLG hat ferner festgestellt, dass die Unterbringung des Kindes zum jetzigen Zeitpunkt seine Gesamtsituation nicht verbessern würde, da die psychische Belastung durch die Trennung von der Mutter und seinem bekannten Umfeld schwer wiege.

Pflegefamilie statt Elternhaushalt – Familiengericht sieht Vernachlässigung

Eine Trennung des Kindes von seiner Familie gegen den Willen der sorgeberechtigten Eltern ist erst dann zulässig, wenn das elterliche Fehlverhalten ein solches Ausmaß erreicht, dass das Kind bei einem Verbleiben in oder einer Rückkehr in die Familie in seinem körperlichen, geistigen oder seelischen Wohl nachhaltig gefährdet ist.

Aktuell hat das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig festgestellt, dass bei den Eltern von mangelnder Erziehungseignung auszugehen sei, wenn die Kinder im Haushalt hochgradig vernachlässigt würden und unzweifelhaft vorhandene Schädigungen auf physische Entbehrung und fehlende emotionale Zuwendung zurückzuführen seien (Entscheidung vom 14. Oktober 2021, Aktenzeichen 2 UF 74/21).

Konkrete Verfehlungen

Fünf Kinder im Alter zwischen fünf und elf Jahren lebten mit ihren Eltern in einem Haushalt. Nach wiederholten Jugendamts-Meldungen und diversen Polizeieinsätzen wurden die Kinder in Obhut genommen. Es sei festgestellt worden, dass die Kinder nicht ausreichend mit Essen versorgt sein. Auch hätten die Eltern es nicht geschafft, die Kinder vor Krankheiten zu schützen, der regelmäßige Schulbesuch sei nicht sichergestellt. Es kam zu Klassenwiederholungen. Die jüngeren Kinder sind entwicklungsverzögert. Ein Kindergarten-Besuch wurde abgelehnt.

Die inhaltliche Tiefe als auch der Umfang der elterlichen Verfehlungen rechtfertigen vorliegend eine Unterbringung in einer Pflegefamilie. Es hätte sich in den ersten Monaten bereits gezeigt, dass sich alle Kinder in Wohngruppen und Erziehungsstellen gut eingelebt hätten. Ein milderes Mittel als die Fremdunterbringung sei nicht ersichtlich, da bei den Eltern eine Bereitschaft zur Mitarbeit nicht festzustellen sei.

Im Ergebnis begründet das OLG, dass eine erhebliche Gefahr bei der Entwicklung der Kinder festzustellen sei. Dies beruhe auch auf konkreten Verdachtsmomenten und nicht nur auf abstrakten Gefahren.

Mildere Mittel nicht erkennbar

Die Familienrichter waren auch in der zweiten Instanz der Auffassung, dass die im Gesetz möglichen Einzelmaßnahmen wie die Entziehung der Elternrechte im Bereich der Gesundheitsfürsorge, der Schulangelegenheiten sowie des Aufenthaltsbestimmungsrechts erforderlich und angemessen waren.

Fazit: Zwar ist durch das Grundgesetz garantiert, dass die Pflege und Erziehung der Kinder frei von staatlichen Einflüssen ist. Bei einer Kindeswohlgefährdung kann das Familiengericht im Rahmen seiner Wächterfunktion Maßnahmen ergreifen, die bis zur Herausnahme eines Kindes aus der Familie reichen können.