Corona und Besuchskontakte:
6 Fragen – 6 Antworten

Wie sich Umgangsregelungen während der Pandemie-Situation umsetzen lassen:

1. Was bedeutet die Coronakrise für Umgang und Sorge mit Kindern, wenn die Eltern getrennt leben?

Zunächst einmal: Die Coronakrise ändert nichts daran, dass minderjährige Kinder auf ihre Eltern angewiesen sind, um eine Persönlichkeit zu entwickeln. Der regelmäßige Umgang eines Kindes mit jedem Elternteil gehört deshalb in der Regel zum Wohl des Kindes. Das Kind hat daher ein Recht auf Umgang mit jedem Elternteil, das der andere Elternteil nicht ablehnen kann. Der Umgang kann in Ausnahmefällen für das Kind schädlich sein. Das beurteilt im Einzelfall das Familiengericht. Das Familiengericht kann den Umgang regeln, einschränken oder ausschließen, wenn dafür die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind.

2. Was bedeutet die Empfehlung, soziale Kontakte zu vermeiden, für den Umgang?

Die Empfehlung, soziale Kontakte möglichst zu vermeiden, bezieht sich nicht auf die Kernfamilie, auch wenn die Eltern nach einer Trennung in zwei getrennten Haushalten leben. Kinder sollen selbstverständlich auch weiterhin sozialen Kontakt zum anderen Elternteil behalten. Hinzu kommt: Gibt es eine Umgangsregelung oder eine gerichtliche Entscheidung zum Umgang, gilt sie trotz der Coronakrise weiter. Bei der Frage, wie man die persönliche Begegnung zwischen Eltern und Kind in Zeiten der Coronakrise am besten organisiert, dürfte eine Rolle spielen, wie das Kind zum anderen Elternteil gelangt und ob es auf dem Weg zu ihm mit weiteren Personen in Kontakt kommen würde bzw. wie sich das vermeiden ließe. 

3. Wie kann eine Umgangsregelung oder eine gerichtliche Entschei-dung an die aktuelle Situation angepasst werden?

Ergibt sich Bedarf für eine Änderung der Umgangsregelung, sind alle Beteiligten aufgerufen, eine einvernehmliche Lösung zu finden. Der Weg zum Familiengericht ist weiterhin möglich, wenn eine solche Lösung scheitert. Das gilt auch für die Frage, ob das Kind von einem Elternteil zum anderen Elternteil wechseln soll.

4. Was gilt, wenn eine Umgangsregelung krisenbedingt nicht eingehalten wird? 

Befindet sich das Kind bei einem Elternteil und tritt vorübergehend ein Umstand ein, der dem Wechsel des Kindes zum anderen Elternteil entgegensteht, so muss darin im Einzelfall nicht zwangsläufig eine schuldhafte Verletzung der Umgangsregelung zu sehen sein. Ein Ordnungsgeld wegen Umgangsverweigerung kann dann nicht verhängt werden. Der Elternteil, der von der Umgangsregelung abweicht, muss aber in einem Ordnungsgeldverfahren darlegen, dass er die Zuwiderhandlung gegen die Vereinbarung nicht zu vertreten hat.

5. Welche Umstände können eine Änderung der Umgangsregelung notwendig machen? 

Nicht jeder Umstand steht einem Wechsel des Kindes zum anderen Elternteil entgegen. 
Erkrankt das Kind beispielsweise an einer nicht hoch infektiösen Krankheit, kommt es für den Wechsel etwa auf die Transportfähigkeit des Kindes an. Grundsätzlich sind beide Eltern für die Betreuung des erkrankten Kindes zuständig, so dass der Wechsel des Kindes zum anderen Elternteilkindeswohlgerecht sein kann.
Durch die Coronakrise sind aber einige besondere Umstände denkbar:
Ein nur allgemeines Risiko – wie die Möglichkeit, auf dem Weg in einen Verkehrsunfall zu geraten oder sich unterwegs trotz Vorsichtsmaßnahmen zu infizieren – dürfte nicht zur Rechtfertigung einer Abweichung von der Umgangsregelung ausreichen. Zudem dürfte eine landesweite Ausgangs- oder Kontaktbeschränkung, die Kontakt zur Wahrnehmung des Sorge- oder Umgangsrechts weiterhin erlaubt, kein Hindernis darstellen.
Anders könnte dies unter anderem zu beurteilen sein, wenn das Kind im anderen Elternhaus Kontakt zu einer positiv getesteten Person zu erwarten hat oder wenn das Kind, ein Elternteil oder eine andere dem Haushalt eines Elternteils angehörige Person zu einer Risikogruppe gehört. 
In jedem Fall sind diese Umstände im Hinblick auf das Wohl des konkreten Kindes im Rahmen der elterlichen Entscheidung oder im Streitfall einer gerichtlichen Entscheidung (über die Verweigerung des Umgangs bzw. Verweigerung der rechtzeitigen Rückkehr des Kindes) zu bewerten. Dabei ist auch das Verhalten der beiden Elternteile – insbesondere zur Risikobegrenzung – einzubeziehen.

6. Was ist, wenn keine persönliche Begegnung mit dem anderen Elternteil, den Großeltern oder anderen Bezugspersonen möglich ist?

Das Umgangsrecht zielt vor allem auf die Ermöglichung einer persönlichen Begegnung. Ist eine persönliche Begegnung eines Elternteils mit dem Kind aber nicht möglich, kann es sich ggf. anbieten, verstärkt die Möglichkeit des Umgangs „auf Distanz“ zu nutzen. Telefon und Videoanrufe können dazu beitragen, dass der Kontakt zum anderen Elternteil in den kommenden Wochen aufrecht erhalten bleibt. Dasselbe gilt, wenn die Entfernung zwischen den elterlichen Haushalten womöglich bedingt durch die Auswirkungen des Virus schwer zu überwinden ist. Selbstverständlich sind diese Kommunikationsformen auch eine gute Möglichkeit, damit das Kind mit seinen Großeltern und anderen Bezugspersonen Kontakt halten kann. 

Unterhalt des Vaters im Wechselmodell

Wenn Väger ihr Kind viel betreuen und trotzdem viel bezahlen

Minderjährige Kinder getrennter Eltern leben – so bisher – meist nur bei einem Elternteil und zwar in der Regel bei der Mutter. Grundsätzlich ist dann der Vater als nicht betreuender Elternteil verpflichtet, vollen Kindesunterhalt unter Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldes in der Regel nach der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen. Dies gilt unabhängig von dem Umfang der Betreuungsleistungen. Damit verbleibt es bei der Pflicht zum Unterhalt des Vaters im Wechselmodell. Dies kann in Fällen der heute üblichen Betreuungsmodelle, in denen sich der überdurchschnittlich engagierte Vater besonders stark um sein Kind kümmert, zu einer ungerecht empfundenen Benachteiligung führen, wohingegen im echten Wechselmodell, bei dem sich Mutter und Vater die Betreuung des Kindes zu nahezu gleichen Teilen aufteilen, der Barunterhalt auf beide Eltern aufgeteilt 

Echtes Wechselmodell?

Ab wann jedoch liegt ein echtes Wechselmodell vor? Nach einem aktuellen Beschluss des Kammergerichtes Berlin vom 15.04.2019 (Aktenzeichen 13 UR 89/16) liegt jedenfalls eine nahezu gleiche Betreuungsleistung dann nicht vor, wenn diese durch beide Elternteile im Verhältnis 45 zu 55 Prozent aufgeteilt ist. Aus diesem Grund verbleibt es nach Ansicht des Kammergerichtes bei der Pflicht zum Unterhalt des Vaters im Wechselmodell.

Das Kammergericht stützt sich dabei auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 05.11.2014, Az. XII ZB 599/13), wonach die Reglung – ein Elternteil betreut, der andere Elternteil zahlt – so lange nicht in Frage zu stellen ist, wie das deutliche Schwergewicht der Betreuung bei einem Elternteil liegt. In dem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Verfahren betrug der Betreuungsanteil des mitbetreuenden Elternteils 46,67 Prozent. 

Hiermit verknüpft ist das Problem, dass der Elternteil, dessen Betreuungsquote über 40 Prozent liegt, aber noch nicht die vom Bundesgerichtshof geforderte 50:50 Aufteilung erreicht, eine erhebliche finanzielle Mehrbelastung (zum Beispiel für Ernährung, Kleidung, Kosten der Freizeitgestaltung) trifft und der andere Elternteil davon freigestellt ist. Inwieweit diese Kosten durch eine Herabstufung um eine oder mehrere Einkommensgruppen, so wie vom Bundesgerichtshof vorgeschlagen, ausgeglichen werden, bleibt dem Einzelfall vorbehalten und ist im Falle einer gerichtlichen Entscheidung eher kritisch zu beurteilen. 

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle, zugleich Fachanwalt für Familienrecht www.fachanwalt-gralle.de

Wechselmodell: nur wenn beide Eltern dies wollen.

Vater wünscht hälftige Betreuung für seinen Sohn – ohne Erfolg

Erneut hat sich ein Oberlandesgericht (OLG) zur Frage eines Betreuungsmodells für minderjährige Kinder im Wechsel, also zu je zur Hälfte durch beide Eltern, geäußert. Das OLG Brandenburg (Aktenzeichen 13 UF 30/17) hat nunmehr entschieden, dass eine gerichtliche Anordnung eines Wechselmodells gegen den Willen eines Elternteils möglich ist, es jedoch dann auf die Kindeswohl-Interessen allein ankommt. Ein Wechselmodell trotz entgegenstehenden Willens eines Elternteils soll die Ausnahme bleiben. Ein Modell der wechselseitigen Betreuung kommt in Betracht, wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

  • gleiche Erziehungskompetenz beider Eltern
  • sichere Bindungen des Kindes an beide Eltern
  • gleiche Beiträge beide Eltern zur Entwicklung der Kinder
  • selbstständiger und wiederholter Wille der Kinder, das Wechselmodell zu leben
  • Kooperationsfähigkeit beide Eltern zur Bewältigung des erhöhten Abstimmungsbedarfs
  • keine Erwartung oder Verschärfung eines Loyalitätskonflikt bei Konfliktbelastung beider Eltern.

Im Fall des OLG Brandenburg waren diese Voraussetzungen nicht umfassend gegeben. Der Vater war nicht umfassend kooperationsbereit und bindungstolerant im übrigen löste er bei dem neunjährigen Kind schwere Qualitätskonflikte aus. Bei dieser Voraussetzung, so das OLG Brandenburg, sei ein Wechselmodell nicht angezeigt, vielmehr sei der Kindesmutter das Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, die dann darüber entscheide, wo das Kind den Lebensmittelpunkt habe.Den Eltern, so das Gericht, fehle jegliche Gemeinsamkeit. Keiner von beiden habe eine günstige Erinnerung an ein Erlebnis, gemeinsam Eltern gewesen zu sein. Die Kommunikation sei unzureichend, das Sprechen übereinander von Vorwürfen geprägt. 

Ferner, so das OLG, erlebe das Kind den Streit der Eltern. Dass es sich insgesamt wohlfühle, liege an den guten Bindungen zu beiden Elternteilen und an den guten Beziehungen zu den Geschwistern. Es bedeute aber eine Belastung, dass das Kind es beiden Eltern rechtmachen wolle. Auf diesem Bemühen beruhe der geäußerte Wunsch nach dem Wechselmodell. Dass dieser Wunsch mithin nicht autonom gebildet sei, sei daran zu erkennen, dass das Kind keine Gründe für seinen Wunsch nennen könne. Es traue sich nicht, später, nach tatsächlichen Erfahrungen, das Wechselmodell eventuell doch ablehnen zu wollen.

Diese Situation biete keine Perspektive für ein Wechselmodell.

Streit um Wohnung-Kindesinteressen haben Vorrang

Vater muss ausziehen –  Mutter und drei Kinder bleiben in kleiner Wohnung

Kommt es anlässlich oder nach einer Trennung zu Gewaltmaßnahmen gegen den anderen Ehegatten, so ist die Zuweisung der Ehewohnung an den verletzten Ehegatten in der Regel vorprogrammiert. Führt allein die Trennung in der Ehewohnung zu Spannungen unter den Eheleuten, so kommt es darauf an, für welchen der beiden Ehegatten es eine Härte bedeutet, weiter die Ehewohnung teilen zu müssen. Eine sogenannte unbillige Härte kann gegeben sein, wenn das Wohl von im Haushalt lebenden Kindern beeinträchtigt ist.

Im Hamburger Stadtteil St. Georg bewohnten die verheirateten Eheleute eine zweieinhalb Zimmerwohnung zu einer Größe von knapp 70 m² mit ihren drei gemeinsamen Kindern. Anfang des Jahres kam es zur Trennung der Eheleute, der Kindesvater, berufstätig, sah sich aufgrund der angespannten finanziellen Situation nicht in der Lage, auszuziehen und Miete für eine andere Wohnung zahlen zu müssen. Er hat vorgeschlagen, dass er abends ab 22:00 Uhr in die kleine Wohnung zurückkehre, anschließend die Toilette benutze und dann im Wohnzimmer schlafe.

Das hanseatische Oberlandesgericht Hamburg (Aktenzeichen 12 UF 11/19) hat in einer Entscheidung vom März 2019 diese Regelung im Hinblick auf die beengten Wohnverhältnisse als unrealistisch bezeichnet, um ein konfliktfreies Zusammenleben zu ermöglichen. Abstimmungen der Eheleute über das getrennte Wohnen in der beengten Wohnung wären unausweichlich.

Letztendlich würden die Interessen des Kindesvaters dem Interesse der gemeinsamen Kinder zurückstehen. Die Bedürfnisse der drei Kinder an einer geordneten, ruhigen und möglichst entspannten Familiensituation ohne örtliche Veränderung haben Vorrang vor dem Interesse des Antragsgegners am Verbleib der Ehewohnung. Der Kindesvater wurde verpflichtet, die Wohnung zu verlassen, der Ehefrau und Kindesmutter wurde die Wohnung zur alleinigen Nutzung mit den drei Kindern zugewiesen. Sie leistet die Hauptbetreuungsarbeit für die drei minderjährigen Kinder.

Grundsätzlich sind in eine Gesamtabwägung neben dem Verhältnis der Ehegatten zueinander die Belange des anderen Ehegatten, dingliche Rechtspositionen und die Lebensbedingungen der Eheleute zu berücksichtigen. Bloße Unbequemlichkeiten, Unannehmlichkeiten und Belästigungen, wie sie häufig mit der Trennung von Ehegatten einhergehen, reichen nicht aus, um eine unbillige Härte im Sinne des Gesetzes, die Voraussetzung für eine Wohnungszuweisung ist, zu begründen.

Im Verfahren auf die Zuweisung der Wohnung ist bei minderjährigen Kindern auch das Jugendamt zu beteiligen. Daraus wird deutlich, welche Bedeutung der Gesetzgeber dem Wohl der Kinder im Rahmen der Wohnungszuweisung zugedacht hat.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle www.fachanwalt-gralle.de

Keine Auswanderung des Kindes: Neuruppin statt Andorra

Nach der Trennung von Eltern kommt es häufig dazu, dass ein Elternteil – sei es aus privaten oder beruflichen Gründen – seinen Wohnort verlegen muss. Insbesondere wenn aus der Beziehung hervorgegangene Kinder im Haushalt dieses Elternteils leben, hat eine örtliche Veränderung  Auswirkungen auf die Frage, ob und wie künftig Umgangskontakte mit dem anderen Elternteil sichergestellt werden können. Im schlechtesten Fall kann ein solcher Ortswechsel zum völligen Abbruch persönlicher Kontakte führen.

Wenn es um die Auswanderung eines Elternteils geht, bedarf es einer umfassenden gerichtlichen Klärung, wie ein Fall aus Neuruppin zeigt. Nach 20 Jahren Ehe haben sich die Eheleute scheiden lassen, die 13-jährige Tochter lebte im Haushalt der Kindesmutter in Neuruppin in Brandenburg. Der Kindesvater, der enge Beziehung zu seiner Tochter hatte, wollte von Neuruppin nach Andorra umziehen und beantragte beim Familiengericht, ihm das sogenannte Aufenthaltsbestimmungsrecht zu übertragen, damit er über den Lebensmittelpunkt seiner Tochter allein entscheiden kann. Die Tochter selbst hat den Wunsch geäußert, beim Vater leben zu wollen.

Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat entschieden (Beschluss vom 6. November 2018, Aktenzeichen 13 UF 174/17), dass das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf die Kindesmutter zu übertragen ist. Die elterliche Sorge sei aufzuheben gewesen, da es an einem Mindestmaß an Übereinstimmung bei den Eltern fehle. Der Grundsatz der Beziehungskontinuität spreche für einen Verbleib des 13-jährigen Mädchens im Haushalt der Mutter, da im dortigen Umfeld die Beziehung zu Geschwistern und zur Mutter wesentlich enger sei als zum Vater.

Darüber hinaus war auch entscheidend, dass es dem Kindesvater nicht gelungen ist, seine wirtschaftliche Situation für den Aufenthalt in Andorra deutlich zu machen. Zum einen habe der Kindesvater über längere Zeiträume keinen Unterhalt gezahlt, zum anderen habe er entsprechende Einkommens-und Vermögensverhältnisse nicht dargelegt und auch einen Arbeitsvertrag trotz Aufforderung des Oberlandesgerichts nicht vorgelegt. Beim Kindesvater sei ein wirtschaftlicher Mindeststandard nicht gewährleistet und eine ungesicherte wirtschaftliche Situation zu befürchten, die eine Instabilität der Lebensverhältnisse für das Kind mit sich bringe. 

Diese beiden Aspekte, enge Bindung zur Mutter und fehlende wirtschaftliche Grundlage beim Vater, sind nach Ansicht des OLG ausreichender Grund dafür, dass das Kind bei der Mutter in Neuruppin verbleibe, obwohl es gegenüber dem Gericht einen anderen Wunsch (Wechsel zum Vater nach Andorra) geäußert habe.

Fazit: Es bedarf einer sorgfältigen Prüfung zu den persönlichen Umständen des Kindes, in die etwa seine Widerstandsfähigkeit mit Blick auf die notwendigen Anpassungsprozesse im Fall einer Auswanderung ebenso einzubeziehen sind, wie die Tatsache, dass das Kind durch die Auswanderung möglicherweise einen Elternteil nicht mehr so häufig sieht oder gar für den Fall, dass das Gericht eine Auswanderung des Kindes untersagt, es seine bisherige Hauptbezugsperson verliert.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle, Fachanwalt für Familienrecht www.fachanwalt-gralle.de

Wechselmodell – Kindeswohl geht Elternwünschen vor

Das so genannte Wechselmodell bei der Betreuung minderjähriger Kinder ist in aller Munde. Es hat zum Inhalt, dass mindestens annähernd eine paritätische Betreuung der Kinder (nahezu jeweils 50 Prozent) durch die nicht zusammenlebenden Eltern erfolgt. Wenn die Eltern eine einvernehmliche Regelung zum Wechselmodell vereinbart haben, so müssen sie sich daran halten. Eine Änderung einer Wechselmodell-Vereinbarung kommt nur in Betracht, wenn triftige Gründe des Kindeswohls dafür sprechen. Auch beim Wechselmodell steht der Gesichtspunkt der Kontinuität im Mittelpunkt. Aus diesem Grunde sollen Betreuungsregelungen bindend und nicht abzuändern sein, nur weil die Eltern dies wünschen.

Zu einem entsprechenden Fall hat das Kammergericht vor wenigen Wochen eine Entscheidung getroffen: es ging dabei um ein drei Jahre altes Mädchen, welches vom ersten Lebensjahr bis jetzt jeweils zur Hälfte von den nicht verheirateten Eltern betreut wurde. Die Kindesmutter war der Auffassung, das Wechselmodell sei nicht störungsfrei praktiziert worden und zwischen den Eltern habe es immer wieder Konflikte gegeben. Aus diesem Grunde müsse das Wechselmodell aufgehoben werden, sie, die Kindesmutter wolle die überwiegende Betreuung übernehmen, für den Vater können Umgangswochenenden vereinbart werden.

Diesen Vorstellungen der Kindesmutter hat das Gericht eine Absage erteilt. Das seit längerem praktizierte Wechselmodell habe dazu geführt, das für die Tochter beide Eltern als zuverlässige Bezugs- und Erziehungsperson präsent seien. Diese Bindungskontinuität gelte es zu erhalten. Beide Elternteile müssten zeitlich gleichrangig zur Verfügung stehen. Beide Eltern seien in gleicher Weise erziehungsfähig und forderungsfähig. Aus diesem Grunde sei nicht ersichtlich, dass das angestrebte Modell der Betreuung überwiegend durch die Kindesmutter dem aktuell praktizierten Wechselmodell zu bevorzugen sei. 

Beide Eltern hätten ein ausgesprochen großes Interesse am Kind, und während der Vergangenheit hätten beide Eltern die Betreuung und Versorgung ihrer dreijährigen Tochter durchweg zuverlässig und sehr engagiert sichergestellt. In grundsätzlichen Erziehungsvorstellungen stimmten beide Eltern über ein. Das Gericht stellt fest, dass der Elternstreit das Kind nicht belaste, sondern die Tochter ein zufriedenes Kind sei, welches sicher an beide Eltern gebunden sei. Wichtige Entscheidung für das Kind wie etwa die Wahl des Kindergartens oder die Frage des Kindergeldbezugs hätten beide Eltern ohne größere Differenzen treffen können.

Es ist daher nicht ersichtlich, dass eine neue Regelung der Betreuung durch die Mutter besser sei als die aktuell praktizierte hälftige Betreuung (Wechselmodell) durch die Eltern, die seinerzeit beim Gericht vereinbart wurde. 

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass das Wechselmodell nicht zu dem Zweck angeordnet werden darf, hierdurch erst eine Kommunikationsfähigkeit der Eltern herbeizuführen. Wenn jedoch ein Wechselmodell praktiziert wird, sprechen bloße Defizite in der Kommunikationsfähigkeit der Eltern nicht dafür, dieses aufzuheben.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle, zugleich Fachanwalt für Familienrecht      www.fachanwalt-gralle.de

Umgangsrecht der Großeltern: Schwierige Rechtsposition

Im Juli 2017 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, dass der Umgang von Großeltern mit den Enkelkindern dann nicht dem Kindeswohl diene, wenn Eltern und Großeltern so zerstritten seien, dass das Kind bei einem Umgang mit den Großeltern in einen Loyalitätskonflikte geraten würde. Im Streit der Eltern mit den Großeltern habe das Erziehungsrecht der Eltern Vorrang.

Auch das Oberlandesgericht OLG) Oldenburg ist in einer aktuellen Entscheidung vom 9. Februar 2018 (Aktenzeichen 3 UF 144/17) dieser grundsätzlichen Rechtsprechung gefolgt und hat den Umgang der beiden Enkelkinder (fünf Jahre und gut ein Jahr alt) mit den Großeltern abgelehnt. Nach dem Tode der Ehefrau und Kindesmutter hat der Witwer und Kindesvater den Umgang mit den Großeltern untersagt. Er fühlte sich durch das Einmischen in den eigenen Familienablauf durch die Großeltern stark gestört und hat zur Vermeidung von Kontakten mit den Großeltern die Telefonnummer und die E-Mail-Adresse geändert. Insbesondere wollte der Kindesvater keine direkte Kontaktaufnahme der Großeltern mit den eigenen Kindern.

Das OLG Oldenburg stellt zwar klar, dass Kontakt zwischen Großeltern und Enkelkindern eine Bereicherung im Leben der Kinder darstellen könne. Vorliegend habe es jedoch schon zu Lebzeiten der Kindesmutter Streitigkeiten in Fragen der Erziehung gegeben, anschließend auch im Zusammenhang mit der Trauerfeier der verstorbenen Mutter.

Das OLG Oldenburg hat festgestellt, dass die Großeltern den Vorrang der Entscheidung des Kindesvaters in Fragen der Erziehung nicht respektieren würden. Direkte Kontaktabsprachen mit den kleinen Enkelkindern seien ohne den Vater angestrebt worden. Auch mit dem Kindergarten sei ohne Absprache mit dem Vater Kontakt aufgenommen worden. Diese Verhaltensweisen der beiden Großeltern führten dazu, dass es dem Kindeswohl schade, einen Umgang auch gegen den Willen des Vaters gerichtlich festzusetzen. Aktuell sei daher ein Umgang durch das Oberlandesgericht nicht auszusprechen, den Großeltern stehe es frei, über das Jugendamt Kontakt zu den Enkelkindern zu suchen.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass gerade im vorliegenden Falle eine eigene Willensbildung der Kinder für Umgangskontakte mit den Großeltern nicht bzw. nur schwach herausgebildet werden kann. Wenn die Kommunikation zwischen Eltern und Großeltern hinsichtlich der Umgangskontakte schlecht ist, dient es häufig nicht dem Kindeswohl, die Umgangskontakte mit gerichtlicher Hilfe  durchzusetzen. Dies gilt erst recht, wenn bisher keine regelmäßigen Kontakte zwischen Enkelkindern und Großeltern stattgefunden haben.

Autor dieses Beitrages ist Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                                               Oldenburg,www.fachanwalt-gralle.de

Wenn die Besuchsregelung verweigert wird

Bestellte Begleitperson regelt Kindesübergabe mit der Mutter

Wenn bei getrennten Paaren der Elternteil, bei dem ein gemeinsames Kind lebt, vereinbarte Besuchskontakte verweigert, kann eine Umgangspflegschaft den Kontakt zum Kind möglich machen.

 Der Fall:

Die Eltern, gleich ob verheiratet oder nicht verheiratet, trennen sich, das minderjährige Kind verbleibt bei einem Elternteil, meistens bei der Mutter. Mit dem anderen Elternteil wird eine Besuchsregelung vereinbart, häufig muss für eine derartige Umgangsregelung bereits das Familiengericht angerufen werden. Doch trotz gerichtlicher Vereinbarung hält sich die Kindesmutter hieran nicht und schirmt das Kind vom Kindesvater ab. Besuchskontakte werden regelmäßig abgesagt, Übergabetermine werden nicht eingehalten, bei der Übergabe kommt es zu Konflikten.

Um diesen Schwierigkeiten aus dem Weg zu gehen, sieht das Familienrecht die Einrichtung einer sogenannten Umgangspflegschaft oder einer Begleitung bei den Kindesübergaben vor.

Das Urteil:

In einem vom Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt vor wenigen Wochen entschiedenen Fall (Aktenzeichen 4 UF 3/2017) hatte ein Vater vor dem Familiengericht einen Umgangskontakt mit seinem dreijährigen Sohn für jeden Sonnabend für die Dauer von 4 Stunden in der Zeit von 14 bis 18 Uhr vereinbart. Die Kindesmutter hat die Besuchsregelung torpediert, sogar ein gerichtlich bestellter Gutachter hat festgestellt, dass der Mutter in Bezug auf den Vater die nötige Toleranz fehle, Bindungen zwischen Vater und Kind zuzulassen.

Diese Blockadehaltung, so das OLG, beeinträchtige die gesunde Entwicklung des Kindes, denn der unbefangene Kontakt zum Vater und die Möglichkeit, dessen Lebenswelt kennen zu lernen, seien für die eigene Lebensgestaltung wichtig.

Umgangspflegschaft ermöglicht Kindkontakt

Dennoch: ein Sorgerechtsentzug zulasten der Kindesmutter kommt nicht in Betracht. Denn diese kümmere sich im Übrigen gut um den Sohn. Für die Regelung der Besuchskontakte bedarf es nach der Auffassung der Frankfurter Familienrichter einer Umgangspflegschaft. Diese dient der Organisation der Umgangskontakte durch Vermittlung zwischen beiden Eltern und der Festlegung von Umgangsmodalitäten. Ein Umgangspfleger, zum Beispiel ein Sozialpädagoge, hat dann das Recht auf Herausgabe des Kindes gegenüber der Kindesmutter und Durchführung und Gestaltung der Umgangskontakte mit dem Vater. Während der Umgangszeit ist der Kindesvater in der Gestaltung frei.

Erst wenn eine Pflegschaft scheitert, muss über sorgerechtliche Maßnahmen gegenüber der Kindesmutter nachgedacht werden. Im Ergebnis wird auch mit dieser Entscheidung deutlich, dass Zwangvollstreckungsmaßnahmen in Kindschaftsangelegenheiten zur Gestaltung von sorgerechtlichen Fragen oder Umgangsproblemen nicht angezeigt sind.

Besuchsrecht: Freie Wahl des Urlaubsortes

Urlaub in der Türkei, Fernreisen zu außereuropäischen Zielen – wohin darf ein Elternteil mit dem minderjährigen Kind reisen. Angesichts der Zunahme von politischen Unsicherheiten oder gar terroristischen Anschlägen in bislang beliebten Urlaubsregionen wird häufig auch über das von einem Elternteil für die Reise mit dem Kind in Aussicht gestellte Urlaubsziel gestritten.

Es gilt: der umgangsberechtigte Elternteil kann grundsätzlich den Aufenthalt des Kindes während der Ausübung des Umgangsrechts allein bestimmen. Dies ist Teil seiner Befugnis, über die näheren Umstände der tatsächlichen Betreuung zu entscheiden und leitet sich damit aus dem Umgangsrecht ab.

Dies gilt auch bei einem Ferienumgangsrecht  für die Wahl eines im Ausland gelegenen Urlaubsorts. Auch insofern ist nach der neueren Rechtsprechung  der Umgangsberechtigte frei, den Ort des Ferienaufenthalts zu bestimmen,  sogar bei Fernreisen zu außereuropäischen Zielen.  

Einschränkungen sind gegeben, wenn aufgrund besonderer Umstände die Wahl des Urlaubsorts (Kampfgebiete in der Ostukraine oder in Syrien) gravierende Auswirkungen auf das Kindeswohl hat, so dass die Entscheidung erhebliche Bedeutung für das Kind erlangt. Dann ist das gegenseitige Einvernehmen der beiden sorgeberechtigten Elternteile erforderlich. Viele Gerichte orientieren sich bei Auslandsreisen an Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes. Andere Gerichte haben darauf abgestellt, dass das subjektive Empfinden eines Elternteils relevant ist und die Sicherheitshinweise des Auswärtigen Amtes auch wirtschaftliche und diplomatische Auswirkungen im Blick hätten. Diese seien mit dem Kindeswohl nicht identisch.

Ist ein Elternteil allein sorgeberechtigt, ist dieser bei der Wahl des Orts wesentlich freier. Er kann aus rechtlicher Sicht Zeit und Ziel der Reise mit dem Kind allein bestimmen. Für eine Reise in ein Krisengebiet hat der Elternteil, der nicht sorgeberechtigt ist, kein Vetorecht.

In der Regel sind Reisen, insbesondere ins Ausland, von der Sorge beider Eltern um ihre Kinder begründet. Daher empfiehlt es sich, die Bedenken des anderen Elternteils ernst zu nehmen und diesen in die Urlaubsplanung einzubeziehen. Dies kann erfolgen durch eine möglichst frühzeitige Information über Reisepläne und Informationen über den Urlaubsort.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle, Oldenburg, zugleich Fachanwalt für Familienrecht; www.fachanwalt-gralle.de

Kein Extra-Geld für Kinderkleidung

Bestehen zwischen den Eltern von Kindern Spannungen, so führen diese Spannungen nicht nur zur Belastung bei den Kindern, sondern auch bei den jeweiligen Eltern selbst. Die emotionalen Schwierigkeiten auf Paarebene spiegeln sich in der täglichen Praxis wider.

Zwei Söhne, sieben und neun Jahre alt, lebten nach der Trennung der Eltern bei der Kindesmutter. Beide Eltern hatten die gemeinsame elterliche Sorge. Zwischen den Eltern wurde vereinbart, dass die Mutter zu den Umgangskontakten beim Vater eine bestimmte Kleidung, bestimmte Anzahl von Schuhen sowie eine bestimmte Tennisausrüstung mitzugeben hatte. Die Mutter hat sich an die Vereinbarung nicht gehalten und war der Auffassung, der Kindesvater, Zahnarzt, könne die Kleidung für seine beiden Jungs selbst zahlen. Dem ist das Kammergericht (KG) Berlin in einer aktuellen Entscheidung von Anfang März 2017 (Aktenzeichen 13 WF 39/17) nicht gefolgt. Es hat der Mutter aufgegeben, die Vereinbarung einzuhalten. Denn es sei die Pflicht des betreuenden Elternteils, sich loyal zu verhalten und die eigenen Kinder mit der für den Umgang erforderlichen Bekleidung auszustatten. Dazu zähle Kleidung und Wechselwäsche.

Denn die Bekleidung des Kindes ist Bestandteil des Unterhaltsanspruchs. Vorliegend zahlt der Kindesvater Kindesunterhalt und deckt damit den sogenannten Barbedarf des Kindes ab, die Kindesmutter erbringt Betreuungsleistungen. Die Unterhaltszahlungen des Vaters sind gerade dazu bestimmt, um für das Kind Bekleidung anzuschaffen. Es könne, so das Berliner Familiengericht, keine Rede davon sein, dass es Sache des Vaters sei, die beiden Söhne beim Umgang mit der erforderlichen Kleidung auszustatten. Die Ausstattung obliege grundsätzlich der Mutter, dabei sei nicht ausgeschlossen, dass das eine oder andere Kleidungsstück auch einmal vom Vater beigesteuert wird.

Weil die Kindesmutter die Umgangsvereinbarung mit der Kleidungsregelung nicht eingehalten hatte, wurde gegen sie ein Ordnungsgeld in Höhe von immerhin 500 Euro festgesetzt, diese Regelung hat das KG bestätigt. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Umgangsvereinbarungen in sowohl hinsichtlich des Übergabeortes, des Beginns und des Endes einschließlich Uhrzeiten sowie der Regelung zu Kleidung so genau wie möglich zu fassen sind. Dies gilt auch für Ferienzeiten und insbesondere für Feiertage, die immer wieder Konfliktpotenzial beinhalten.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt Henning Gralle (Oldenburg), zugleich Fachanwalt für Familienrecht.