Besuchskontakte bestimmen die Eltern

Eine Situation, wie sie in der heutigen Zeit immer wieder vorkommt: die eigenen Kinder werden im Kinderheim oder in einer Wohngruppe untergebracht. Sei es, weil die Eltern in ihren Erziehungsaufgaben versagt haben oder die Kinder, häufig dann im pubertären Alter, sich den elterlichen Vorgaben nicht mehr fügen und zu Hause“ ausbrechen“.

In diesem Feld wird das Jugendamt aktiv und versucht, das sogenannte Aufenthaltsbestimmungsrecht, also die Befugnis, über den Lebensmittelpunkt des Kindes zu entscheiden, auf sich über zu leiten.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat vor wenigen Wochen beschlossen (Aktenzeichen XII ZB 47/15), dass die Regelung zum Aufenthaltsrecht nicht darüber entscheidet, mit wem das Kind Umgang haben kann. Nur wenn die elterliche Sorge vollständig entzogen wird und nicht nur hinsichtlich des Aufenthaltsortes steht das Besuchsrecht dem Vormund, in der Regel dem Jugendamt, zu. Bis dahin haben die Eltern weiterhin das Recht, über den Umgang des Kindes mit sich oder Dritten selbst zu entscheiden. Bisher konnte davon ausgegangen werden, dass das Jugendamt, dem auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht zusteht, auch über den Umgang des Kindes entscheiden konnte. Der BGH hat deutlich gemacht, dass dies nicht der Fall ist.

Die Befugnis zur Umgangsbestimmung ist unabhängig vom Aufenthaltsbestimmungsrecht. Die Eltern können also insbesondere auch bestimmen, mit wem das Kind zu Hause oder in einer von ihm besuchten Schule oder sonstigen Einrichtungskontakt hat, ohne dass sie damit zugleich eine Bestimmung über den Aufenthalt ihres Kindes treffen. Insbesondere ist damit auch umfasst, dass die Eltern entscheiden können, wie oft sie ihr eigenes Kind zum Beispiel im Heim oder in der Wohngruppe besuchen.

Im Ergebnis haben daher Eltern, die das Aufenthaltsbestimmungsrecht freiwillig oder unfreiwillig abgeben mussten, das Recht, den Umgang mit ihrem Kind oder Dritten selbst zu gestalten. Sie haben jedoch keinen Einfluss darauf, zu entscheiden, wo das Kind dauerhaft lebt.

Autor dieses Beitrages ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle, Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Alexanderstraße 111, Oldenburg.

NWZ-Artikel: Besuchskontakte bestimmen die Eltern

Umgangsrecht für die Großtante

Besuchsrechte gegenüber minderjährigen Kindern haben nur dessen Eltern, Geschwister und Großeltern. Weitere Familienangehörige sollen keine Besuchsrechte wahrnehmen können, um einen „Umgangstourismus“ zu vermeiden.

Eine Ausnahme gilt für fremde Personen und entfernte Verwandte, wenn zwischen dem Kind und dem Erwachsenen eine sogenannte sozial-familiäre Beziehung vorliegt. Diese besteht dann, wenn der Erwachsene zumindest eine Zeit lang tatsächliche Verantwortung für das Kind getragen hat und eine gewachsene Familienbeziehung festzustellen ist.

In einem aktuellen Fall wurde der Großtante eines fünfjährigen Jungen ein Umgangsrecht gewährt, nachdem im Anschluss an die Trennung der Kindeseltern die Großtante für zehn Monate etwa jedes dritte Wochenende rund 5 Stunden mit dem Kind im eigenen Haushalt verbracht hat.

Der Kindesvater verbüßte eine mehrjährige Haftstrafe, so dass die Großtante die einzige Bezugsperson des fünfjährigen Kindes zur väterlichen Herkunftsfamilie war. Zu den Großeltern des Kindes besteht aufgrund deren Aufenthalts in der Türkei kein Kontakt. Auch andere umgangswillige Personen aus der väterlichen Familie sind nicht vorhanden.

Das Oberlandesgericht Celle (Aktenzeichen 10 WF 303/15) hat vor wenigen Wochen entschieden, dass der Kontakt zur Großtante aus entwicklungspsychologischer Sicht eine wichtige Rolle für die Identitätsfindung des Kindes spiele. Das Kind habe ein Bedürfnis zum Kontakt zur Herkunftsfamilie  des Vaters. Die Großtante könne diesem gerecht werden.

Insgesamt bleibt festzuhalten, dass Umgangskontakte von Familienfremden rechtlich selten durchgesetzt werden können. Es kommt auf die individuelle Situation an, wie der Fall aus Celle zeigt. Wenn Eltern, Großeltern und Geschwister Kontakt zum Kind haben, dürften rechtliche Ansprüche weiterer Personen wie Lebensgefährten oder entfernte Verwandte schwer durchsetzbar sein.

Autor des Beitrages: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle-Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Oldenburg

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Kinder dürfen mit ihrem Vater nach Nigeria ausreisen

Der Kindesvater arbeitet seit fünf Jahren im afrikanischen Nigeria in der dortigen Metropole Lagos. Seine beiden minderjährigen Kinder, inzwischen 14 und elf Jahre alt, lebten zuletzt bei den Großeltern, die Kommunikation zur Kindesmutter war stark beeinträchtigt. Der Kindesvater wollte seine Kinder mit nach Nigeria nehmen. Darf er das? Wohnmöglichkeiten und Lernmöglichkeiten in einer internationalen Schule sind dort vorhanden. Ein beruflicher Wechsel des Vaters nach Deutschland oder in das europäische Ausland ist nicht zu erwarten.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in einer aktuellen Entscheidung vom 23. Mai 2016 entschieden (Aktenzeichen 14 UF 3/16), dass die beiden Kinder sich emotional weit von der Mutter entfernt hätten und eine deutliche Ablehnung feststellbar sei. Die Kinder lehnen jeglichen Kontakt zur Mutter ab. Zwischen den Eltern besteht keinerlei Basis für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge. Insoweit war die elterliche Sorge dem Vater allein zu übertragen. Sein Vorhaben, den Wohnsitz der beiden Kinder in das außereuropäische Ausland zu verlegen, widerspricht nicht dem Kindeswohl.

Der  wiederverheiratete Vater konnte deutlich machen, dass alle Familienmitglieder an einem Ort zusammenleben möchten und die berufliche Situation des Vaters eine Anwesenheit in Nigeria erfordere. Beide Kinder seien auf den Wechsel nach Afrika gut vorbereitet. Die Kinder hätten auch den Wunsch geäußert, mit dem Vater und dessen neuer Ehefrau zukünftig in Nigeria leben zu wollen.

Eine Übertragung der elterlichen Sorge auf die Kindesmutter, die in Schleswig-Holstein lebt, hat das Oberlandesgericht abgelehnt, weil die Kinder ihre Mutter aus dem Leben verdrängt hätten und jeglichen Kontakt ablehnten. Zurzeit sei nicht erkennbar, dass es sich nur um eine vorübergehende Einstellung der beiden Kinder handele.

Im Ergebnis hat das OLG daher die alleinige elterliche Sorge für beide Kinder auf den Vater übertragen, der nunmehr auch über den Wohnsitz der Kinder entscheiden kann. Einem Wechsel nach Nigeria steht nichts im Wege.

Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle – Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Alexanderstraße 111, Oldenburg. Tel. 0441/96 94 81 40 oder gralle@fachanwaelte-ol.de. Weitere Infos: www.fachanwaelte-ol.de.

OLG-Oldenburg-Entscheidung

42 % Betreuungsanteil – der Vater muss trotzdem zahlen

Viele Väter kümmern sich um ihre Kinder intensiver als nur alle 14 Tage am Wochenende. Weite Bereiche der Ferien sowie eine regelmäßige Betreuung während der Woche kommen immer häufiger vor. Doch wo ist die Grenze, dass der Kindesvater neben der Betreuung seiner Kinder auch Unterhalt in voller Höhe zahlen muss.

Für seine beiden 17 und zwölf Jahre alten Kinder, die in Oldenburg leben, muss ein Kindesvater Unterhalt in der gesetzlichen Höhe nach der Düsseldorfer Tabelle zahlen, obwohl er an 148 Tagen im Jahr (42 Prozent Betreuungsquote) seine beiden minderjährigen Kinder betreut. An den anderen 217 Tagen betreut die Kindesmutter die beiden Schulkinder.

Der Kindesvater meint, vorliegend sei von einem Wechselmodell auszugehen, da er als Vater die Betreuung an den Wochenenden und in den Ferienzeiten übernehme. Auch trage er einen Großteil der anfallenden Kosten für Bekleidung, Schulsachen und Freizeitaktivitäten.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hat in einer aktuellen Entscheidung vom 9. November 2015 (Aktenzeichen 4 UF 131/15) darauf hingewiesen, dass ein Wechselmodell zwischen Vater und Mutter bei einer 42-prozentigen Betreuungsquote nicht in Betracht komme. Denn die Kinder verbringen ihren Alltag bei der Mutter, der von den Schulbesuchen in der Woche von Montag bis Freitag geprägt sei. Es sei von wesentlicher Bedeutung, wer während der Schultage die Kinder betreue, also morgens die Kinder wecke, das Schulbrot mache und insbesondere am Nachmittag und Abend während der Schularbeiten für die Kinder präsent sei.

Es liege kein Wechselmodell vor, wenn die Kinder lediglich an den Wochenenden und in den Ferienzeiten beim Vater seien. Denn der Schwerpunkt der Betreuung im Alltag liege bei der Mutter in Oldenburg. Diese übe die eigentliche Obhut aus.

Daher muss der Kindesvater neben der Betreuung der Kinder auch Unterhalt in Höhe von 110 Prozent des Mindestunterhalts zahlen, also zurzeit in Höhe von insgesamt knapp 800 Euro für beide Kinder.

Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle – Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Alexanderstraße 111, Oldenburg. Tel. 0441/96 94 81 40 oder gralle@fachanwaelte-ol.de. Weitere Infos: www.fachanwaelte-ol.de

42-Prozent-Betreuungsanteil_NWZ

Kein Umgang gegen den Willen des Kindes

Grundsätzlich hat jeder Elternteil das Recht zum Umgang mit seinem Kind. Ein Ausschluss dieses Rechts kommt nur in Betracht, wenn das Wohl des Kindes durch den Umgang gefährdet wäre.

Das Umgangsrecht darf nur dann ausgeschlossen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalls der Schutz des Kindes dies erfordert, um eine Gefährdung seiner seelischen oder körperlichen Entwicklung abzuwenden.

Über einen entsprechenden Fall hatte das Berliner Kammergericht (Aktenzeichen 3 UF 159/12) nunmehr zu entscheiden. Der 16-jährige Sohn und die 13-jährige Tochter des Kindesvaters lehnen jeden Kontakt mit dem Vater kategorisch ab. Der Sohn ließ sich auf keine Besprechungen mit dem Vater ein, auch Mitarbeiter des Jugendamtes konnten ihn nicht davon überzeugen, mit dem Vater zu reden. Der Sohn lehnt jegliche Teilnahme des Vaters an seinem Leben ab. Das aggressive Verhalten des Vaters während der vergangenen Jahre, so der Sohn, habe er als übergriffig und respektlos empfunden. Der Sohn erwartet nicht, dass der Vater den Willen seiner Kinder und der Kindesmutter respektiere. Auch die Tochter lehnt jeglichen Kontakt ab, auch Briefkontakt. Vor allem wolle sie nicht, dass der Vater zu ihrer Schule gehe. Er solle aufhören, sie zu nerven.

Das Berliner Gericht hat deutlich gemacht, dass die Entscheidungen der Teenager zu respektieren sein. Die Äußerungen der beiden Kinder entsprechen auch deren unabhängigem Willen. Dass die Äußerungen der beiden Kinder einstudiert wären und sie damit ihre wahre seelische Haltung verdecken wollten, kann angesichts des Alters von 13 und 16 Jahren sowie der Bestimmtheit, Häufigkeit und Nachdrücklichkeit der Willensäußerung gegenüber dem Gericht und den Behörden ausgeschlossen werden.

Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der Ausschluss des Umgangs eines Elternteils mit seinem Kind gerechtfertigt sein kann, wenn das Kind den Umgang mit dem Elternteil vehement ablehnt und anzunehmen ist, dass eine Missachtung dieses Willens das Wohl des Kindes gefährdet. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn das Kind das 12. Lebensjahr überschritten hat und angenommen werden kann, dass der geäußerte Wille seinen tatsächlichen Bindungen entspricht.

 

Autor: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Familienrecht Henning Gralle – Fachanwaltskanzlei Seidelmann, Garms und Gralle, Alexanderstraße 111, Oldenburg. Tel. 0441/96 94 81 40 oder gralle@fachanwaelte-ol.de. Weitere Infos: www.fachanwaelte-ol.de

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